Intermedia DDR 1985 - Ereignis und Netzwerk
Barbara Büscher (Leipzig/Köln)
„Intermedia I: Klangbild – Farbklang“ fand vom 1.-2.6.1985 in Coswig, nahe Dresden statt. Diese Veranstaltung gilt in zahlreichen Geschichten über die autonome bzw. inoffizielle Kunstszene der DDR als wichtiges Ereignis, an dem das ansonsten lose verbundene Netzwerk regionaler Szenen an einem Ort zusammen- und an dem Kunst- und Punkszene aufeinander traf. Musik, Malerei, Film und Tanz/Bewegung sind die Medien der Aufführungen, die als Intermedia, als Collagen in Zeit und Raum, beschrieben werden. Wie lässt sich die Vernetzung der Künste und die temporäre Vernetzung der Akteure anhand eines solchen ‚Knotens’ untersuchen und darstellen? Weitere Fragen schließen sich an:
In welchen Relationen lassen sich die Erzählungen der Zeitzeugen und unmittelbar Involvierten als Ereignis beschreiben, welche informellen Zusammenhänge lassen sich sichtbar machen? Was wissen wir über die Anwesenden und aus welchen Zeugnissen? Wieso und unter welchen Aspekten spielen die Nicht-Mehr-Anwesenden (z.B. die Ausgereisten) eine Rolle? Was lässt sich über die Veranstaltung, die Aufführungen, die Bilder, die dort zu sehen und die Töne, die dort zu hören waren, unter künstlerischen, stilistischen Aspekten sagen – wie groß waren die Gemeinsamkeiten und wie lassen sie sich beschreiben? Was heißt hier Intermedia?
Anhand von zeitgenössischen Bildern und Texten und auf der Basis von aktuellen Gesprächen mit dem Kurator Christoph Tannert, der Fotografin Karin Wieckhorst und der Tänzerin Fine Kwiatkowski will der Beitrag einige dieser Fragen ausbreiten und einkreisen. Ein Archiv zur Geschichte prozessorientierter Kunstformen in der DDR gibt es nicht, auch wenn es zahlreiche jüngere Texte zum Thema in unterschiedlichen Veröffentlichungen gibt [1] und einige (wieder) abgedruckte Fotografien. Insofern ist dieser Text auch ein Plädoyer für ein solches Archiv.
Viele der Texte zur "Intermedia Coswig 1985" stammen von Christoph Tannert [2], der als einer der Initiatoren und Kuratoren an der Veranstaltung direkt beteiligt war. Ausschnitte aus einem der ersten Texte (von 1984), in dem er den Begriff Intermedia einführte, werden im Folgenden wieder veröffentlicht.
Zugleich soll anhand dieses Beispiels erörtert werden, inwiefern ein ereignisorientierter Zugang zur Geschichtsschreibung performativer Kunstformen in der Lage ist, die informellen und instabilen Beziehungen in einer unter Beobachtung stehenden Szene(n) sichtbar zu machen.
Foto: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek
Begriffliche Rahmung – Überlegungen zur Geschichtsschreibung performativer Kunstformen
Beide Begriffe „Ereignis“ und „Netzwerk“, die ich hier als methodische Rahmung vorschlage, sind in verschiedenen wissenschaftlichen Zusammenhängen gewürdigt, diskutiert und sehr unterschiedlich besetzt worden.[3] Beide markieren eher ein Feld von Bedeutungen als dass sie präzise Kategorien zur Beschreibung von historischen Vorgängen und Relationen bilden. Diese Offenheit erlaubt einen beweglichen Gebrauch, der Modifikationen und Reduktionen einschließt. Die Geschichtsschreibung performativer Kunstformen im Allgemeinen und der Versuch, ein konkretes Geschehen – wie es hier der Fall sein soll – in einem spezifischen historisch-gesellschaftlichen Kontext zu umreißen, kann mit beiden Begriffen arbeiten. (Die mir hier wichtigen Aspekte dieser Begriffe sowie deren Verknüpfung möchte ich in aller Kürze vorstellen.)
Ereignis(haftigkeit) ist eine konstitutive Kategorie der Theaterwissenschaft [z.B. Fischer-Lichte u.a. 2003], Performance Studies und der Theorie nicht-werkgebundener Kunst, wie sie z.B. Dieter Mersch in der Gegenüberstellung von Werk- und Ereignisästhetik formuliert [Mersch 2003]. Ereignishaftigkeit betont den Charakter einer Auf- oder Vorführung als einmalig, ephemer, nicht-wiederholbar und - grundlegend - als einen Vorgang in der Zeit. In diesem Sinn ist der Prozess des Sich-Ereignens sowohl Kennzeichen der Veranstaltung ‚Intermedia Coswig‘ wie auch der dort vorgeführten oder aufgeführten Aktionen, Performances, Konzerte.
Das Singuläre – in vielen Reflexionen zum Begriff „Ereignis“ eine zentrale Bestimmung [z.B. Seel 2003, aber natürlich auch Derrida 2003] – beruht in diesem Fall auf einer spezifischen Konstellation von Ort - Akteuren - Zeit. Zeit nicht nur im Sinne einer begrenzten Anwesenheit, sondern auch im Sinne von Zeitgenossenschaft, die sich aus politischen, gesellschaftlichen und individuellen Erfahrungen in/mit der DDR um 1985 ergaben. Die einzelnen Komponenten dieser Konstellation sollen – soweit es auf dem aktuellen Stand meiner Materialsichtung möglich ist – aufgefächert werden.
Diesem Vorgehen liegt eine These zugrunde, die ich einleitend im Begriff des ‚Knotens‘, der auf das ‚Netzwerk‘ verweist, zusammengefasst habe. Sie lautet, dass ein so verstandenes Ereignis und die Auffächerung der ihm zugrundeliegenden Konstellation es ermöglicht, die dort zusammenlaufenden Linien zu identifizieren und Verknüpfungen in verschiedene Richtungen zu verfolgen. Singularität ist in verschiedenen Überlegungen zum ‚Ereignis‘ allerdings noch mit weitergehenden Bestimmungen verbunden, z.B. mit dem vom Auffällig-Werden, von der Unvorhersehbarkeit, vom Bruch in der herrschenden Ordnung und deren Wahrnehmung.
Ereignisse in kultureller Bedeutung sind Veränderungen, die als eine Unterbrechung des Kontinuums der historischen Zeit erfahren werden. Sie sind Vorgänge, die nicht eingeordnet, aber ebenso wenig ignoriert werden können; sie erzeugen Risse in der ‚gedeuteten Welt‘.“ [Seel 2003, 148, 150]
Oder als Fazit über die Beiträge eines Bandes zum Thema: „So entscheiden sich die meisten der Beitragenden, das ‚Ereignis‘ als radikale Unterbrechung, nicht kalkulierbare Erscheinung oder Ankunft eines (ganz) Anderen zu definieren.“ [Müller-Schöll 2003, 12] Eine solch emphatische Bestimmung des ‚Ereignisses‘ scheint mir in diesem, hier aufzurollenden Zusammenhang problematisch. [4]
Inwiefern die Veranstaltung „Intermedia Coswig 1985“ als Ereignis eine Unterbrechung, eine Zäsur war, bleibt als Frage (nach der individuellen und politischen Bedeutung) hier offen. Sie wird zunächst als Markierung – eben als ein Knoten – in der Geschichte der inoffiziellen Kunst der DDR verstanden. In einem bestimmten Moment ist etwas zusammengeführt worden, etwas sichtbar geworden, was ansonsten in seiner Verknüpfung unscharf blieb. Zumindest das wird in den verschiedenen Texten und den Gesprächen (Kwiatkowski, Tannert, Wieckhorst), die ich als Einstieg ins Thema geführt habe, deutlich.
Dabei ist festzuhalten, dass sie als Ereignis im Sinne einer Markierung nicht intendiert war (sein konnte) und als solches erst im Nachhinein – aus den Erzählungen der Akteure, anhand der Spuren in Fotografien und Tonkassetten, aufgrund von Texten und Bildern, - (re)konstruiert werden kann.
Diese Erzählungen sind unabgeschlossen und unabschliessbar (beweglicher Zugang), es gibt jedoch ein Interesse daran die Bedeutung dieser Veranstaltung als Ereignis evident zu machen. Sichtbarkeit herzustellen ist eine wichtige Komponente dieser Arbeit ebenso wie die Sammlung und Sichtung der Erzählungen, medialen Artefakte und zeitgenössischen Berichte.
Wenn hier wiederholt vom Ereignis "Intermedia Coswig 1985" als Knoten die Rede ist, so ist das Netzwerk als Metapher impliziert. Es ist ein Versuch, das ‚Informelle‘ und ‚Inoffizielle‘ verschiedener Szenen, in denen künstlerische Aktion und Lebensstil eng verbunden waren, in ihrem Nebeneinander, der Kommunikation untereinander etc. zu beschreiben. Dieser Gebrauch des Begriffs knüpft an das an, was Schüttpelz in seiner doppelten Genealogie der aktuellen Netzwerkkonzepte als mikrosoziologisch skizziert [5] und ist der Rhizomatik Deleuze/Guattaris [6] nahe. Er beschreibt dann die Verbindung einer Vielzahl und Vielheit von kleinen Gruppen, die informell im Austausch stehen. In solchem Netzwerk, das keine sichtbaren Institutionen ausbilden konnte und wollte, werden die temporären Veranstaltungen, Treffen, Ausstellungen im nicht- oder semi-offiziellen Raum zu Knoten, die nicht nur den Austausch intensivieren, sondern die künstlerischen Aktivitäten erst sichtbar werden lassen, wenn auch nur für einen begrenzten Kreis von Akteuren. Die Rolle der ständigen Beobachtung durch die Staatssicherheit in diesem Fall ist dabei noch nicht in Rechnung gestellt.
Was Christoph Tannert hier atmosphärisch und kurz andeutet, hat sich inzwischen als ein möglicher Zugang zur Geschichte und Geschichtsschreibung der inoffiziellen Kunst/Musikszenen etabliert: es ist ein Zugang, der zunächst von den regionalen Kontexten ausgeht, sich entweder ganz auf sie konzentriert – wie es Ausstellung und Katalog „Ohne uns“ 2009 in und auf Dresden getan haben - oder aber indem die Bestandaufnahme entlang von Städten oder regionalen Zentren erfolgt (Galenza /Havemeister 2005; Grundmann u.a. 1996; Löser 2008).
„Es wäre zu einfach, wollte man soziale und künstlerische Influenzen im Raum Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Dresden, Greifswald, Erfurt oder Berlin in Zirkel gliedern, die sich an bestimmten Stellen überschnitten haben.
Die DDR als Matrjoschka, in der sich homogene Szenen herausbilden konnten? Nein. Die Fluktuation war hoch, egal, ob jemand in einem Kaff oder in der Hauptstadt wohnte, und das lag wohl zu gleichen Teilen am landesweiten Mief wie am flächendeckend wirkenden Observationsnetz der Staatssicherheit.
Die Arbeit der Künstler in der DDR war in den 1980er Jahren fast durchgehend hybrid, zur Kamera griffen Maler ebenso wie Poeten, die Genregrenzen waren in dem von ideologischen und politischen Grenzen geprägten Staat zumindest für die jüngere Generation aufgehoben.“
Radjo Monk, Legal/illegal – stattliche Kontrolle der freien Szene in der DDR. In: Daniels / Stoschek 2006, 23-29]
Spannung. Leistung. Widerstand
Unter Spannung stand man notgedrungen permanent.
Um Leistung ging es nie.
Und Widerstand? Passierte grundsätzlich, als ästhetische Lebenshaltung & symbolisch nebenbei.“
[Alexander Pehlemann / Ronald Galenza, Ende. Rewind. Play. In: Pehlemann / Galenza 2006, 6-9, hier: 9]
[Claus Löser, Vorab. In: Fritzsche / Löser 1996, 5-24, hier: 8]
„Intermedia I" Coswig 1985 - die Koordinaten des Knotens / Beziehungsgeflechts
Als Koordinaten seien hier die Linien verstanden, die an eben dem Markierungspunkt oder Knoten zusammentreffen, verknüpft werden oder sich verbinden. Mit ihrer Auswahl lassen sich verschiedene Akzente in der Untersuchung setzen. Man kann von einer Liste der Akteure ausgehen und deren Einbindung in unterschiedliche künstlerische, regionale Szenen oder auch Institutionen untersuchen, man kann die räumliche Vernetzung in Form einer selbstorganisierten Infrastruktur – oder „autonomen Topographie“, wie es Kaiser / Petzold [Kaiser/Petzold 1997, 68] nennen - aufzeigen oder eben künstlerische Verwandtschaften, was die stilistischen Mittel, Motive und Themen etc. angeht, beschreiben. Über die Akteure allein lässt sich die vielfältige Einbettung und Kontextualisierung der im Ereignis „Intermedia Coswig 1985“ zusammen laufenden Koordinaten nicht auffächern. Deswegen schlage ich – fürs erste – folgende Aspekte zur weiteren Untersuchung vor:
- die Bezeichnung, der Name der Veranstaltung
- der Ort
- die Zeit
- die Akteure (Maler + Aufführende, Publikum, Fotografen und Berichterstatter)
"Intermedia" - die Bezeichnung, der Name
Die Aufnahme des Begriffes ‚Intermedia‘ in den Titel der Veranstaltung verweist auf zweierlei: auf eine Spur, die Tannert selbst mit dem erwähnten Text gelegt hat, der unter dem Titel „Intermedia“ 1984 – also ein Jahr vor der Veranstaltung – in der vom Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR herausgegebenen Zeitschrift Musik und Gesellschaft erschien.
Zugleich verweist er zurück in die erste Hälfte der 1960er Jahre, in der der amerikanische Fluxus-Künstler und -theoretiker Dick Higgins diesen Begriff in die damalige Kunst-Diskussion einführte, um den Aufbruch der Bildenden Künste in Performativität, Prozessorientierung und Medienbewusstsein zu bezeichnen. 1970 erläuterte Higgins im Rückblick: „Während der sechziger Jahre gab es einen starken Akzent auf dem Medium, indem man arbeitete, und es war unvermeidlich, dass die Künstler die Inter-Media untersuchen würden, den Raum zwischen den traditionellen Medien. Das war ein neues Konzept und ein neues Gebiet, das es zu erkunden galt.“ [Higgins 1970 unpag.]
Higgins möchte den Begriff Intermedia nicht als Etikett für eine Kunstrichtung oder -bewegung (miß)verstanden wissen, sondern eher als Bezeichnung einer künstlerischen Haltung, eines Zugangs und Zugriffs auf zeitgenössische Materialien, deren jeweilige Aktualisierung gleichwohl von den historischen Bedingungen geprägt ist. In den 1990er Jahren greifen medientheoretisch orientierte Literatur-, Kunst- und Theaterwissenschaftler diesen Begriff als Intermedialität auf, um mit der Digitalisierung relevant werdende neue Formen der Entgrenzung der Künste zu thematisieren und auf historische Kontexte hin zu untersuchen. [7]
Auch wenn Tannert in unserem oben zitierten Gespräch eine enge Anlehnung an die 1960er Kunst-Bewegungen nicht sieht, sondern eher den spielerischen Umgang mit dem Begriffsfeld akzentuiert, sind die Relationen zwischen grundlegenden Ideen, die sich in jeweils neuen Kontexten mit diesem Begriff verbinden, bedeutsam.
Die folgenden Zitate bzw. Ausschnitte aus Tannerts Text von 1984 sind unter diesem Gesichtspunkt zusammengestellt – welche grundlegende Ideen lassen sich herauslesen, die über die auch im Text erwähnten und beschriebenen einzelnen künstlerischen Praktiken hinausweisen.
Diese Zitate aus dem Text* verweisen auf verschiedene Aspekte dessen, was Tannert als intermediale Kunst(produktion) für die 1980er Jahre in der DDR beschreibt. Es geht um Grenzüberschreitung zwischen den Künsten, um die Motivation und die Vor-Geschichte dieser Projekte und Initiativen in den 1970er Jahren, um andere Arbeits- und Produktionsweisen, um die Betonung der Prozessorientierung sowie um die gesellschaftliche und politische Resonanz auf diese Entwicklung.
Im Weiteren wird auch auf westliche ‚Verwandte‘ verwiesen, wie z.B. auf die Berliner Einstürzenden Neubauten, auf Fred Frith und Heiner Goebbels / Alfred Harth, deren Projekt „Duck and Cover 83“ ausführlich in eben diesem Heft von Musik und Gesellschaft, auf den Text von Tannert folgend, rezensiert wird. [8]
Auch die mit dem Begriff ‚geniale Dilettanten‘ von Tannert angesprochene Referenz nicht nur auf Punk im Allgemeinen, sondern auf die Westberliner Gruppe Tödliche Doris stellen sich ein. 1982 erschien unter dem (eben anders geschriebenen) Titel "Geniale Dilletanten", im Berliner Merve Verlag, herausgegeben von Tödliche Doris-Mitglied Wolfgang Müller eine kleine Sammlung von Texten eben der Musiker u.a., die im Jahr zuvor beim gleichnamigen Festival im Berliner Tempodrom zusammenkamen. Wolfgang Müller hat diese West/Ost-Verbindung rückblickend in eine schöne Szene gepackt:
Solchen Verbindungen – personellen und ideellen, was die Haltung zu Kunst- und Musik-, oder Filmemachen angeht – zwischen den Szenen in Ost und West nachzugehen, ist ein bisher kaum untersuchter Aspekt, der in wenigen Texten z.B. in dem Band von Pehlemann / Galenza verfolgt wird. Da ließe sich fragen, wie antizyklisch gewählte technische Rückgriffe, die zugleich die entsprechenden Marktmechanismen ironisch kommentieren (sei es in der Arbeit mit Super 8-Film, Tonkassetten als selbst organisiertem Vertriebsweg etc.), zusammentreffen mit solchen, die die staatlich verordneten Formen und Formate der Musik, Kunst, Literatur untergründig konterkarieren.
Festzuhalten bleibt – und das wird in den folgenden Koordinaten wieder aufgenommen –, dass in dieser Grenzüberschreitung zwischen den Künsten Musik / Klang / Geräusch ein wichtiger Fokus ist. Hinweise darauf finden sich sowohl in Tannerts Text von 1984 wie im Untertitel der Veranstaltung Intermedia Coswig: Klangbild – Farbklang.
Als Vorgeschichte dieses Ereignisses erwähnt Tannert 1984 wiederum eine Projekt, das 1979 im Zusammenhang der Dresdner Musikfestspiele stattfand: „workshop I. Interferenzen“ [9]. Hier trafen Musiker, Tänzer mit Grafikprojektionen und Filmen in einer Aufführung zusammen. In einem wieder veröffentlichten Ausschnitt aus dem Programmheft heißt es u.a.: „Der Prozess zwischen den Medien ist Prozess zwischen den Autoren, soll ein (theatralischer) Prozess für das Publikum werden.“ [10] Nicht erwähnt wird ein schon seit Ende der 1960er Jahre im Sinne der zitierten Konzeption intermedial arbeitender Künstler, A.R. Penck, der mit Helge Leiberg und Michael Freudenberg 1979 eine Maler-Band gründete. [11] Allerdings hatte Penck schon 1980 die DDR verlassen.
Der Ort - ein Klubhaus in Coswig bei Dresden
Ausgehend vom Veranstaltungsort lassen sich – darauf verweisen beide Zitate – zwei wesentliche Fragenkomplexe entwickeln, die den Kontext der "Intermedia 1985" von einer weiteren Koordinate her aufrollen können: es sind zum einen die Fragen nach der Infrastruktur, oder allgemeiner: den Orten, der inoffiziellen Kultur und zum anderen Fragen nach der Programmierung einzelner Orte, die wiederum auf deren Vor-Geschichte verweisen.
Geht man der Frage nach den Orten der ‚inoffiziellen‘ Kultur in verschiedenen Veröffentlichungen nach, so ergibt sich zumindest für die 1970er und 1980er Jahre eine Gemengelage, die sich nicht einfach resümieren lässt. Eine Bestandsaufnahme gibt es, meines Wissens bisher nicht. Von Kaiser / Petzold werden neben Künstlerateliers und Privatwohnungen die inoffiziellen Privatgalerien genannt, von denen sie 38 für die Zeit von 1970 bis 1989 auflisten. [13] Private Orte wurden in diesen Fällen zu Transferräumen für eine begrenzte Öffentlichkeit. Mit den zahlreichen Galerieneugründungen der 1970er Jahre, als ‚kleine Galerien‘ des Kulturbundes oder Verkaufsgalerien des Staatlichen Kunsthandels betrieben, etablierten einige deren Leiter (z.B. Galerie Oben / Karl-Marx-Stadt; Galerie Arkade / Berlin), bisweilen nur für kurze Zeit, Orte, an denen auch Projekte und Formate der ‚inoffiziellen‘ Kultur einen Platz fanden. [14]
Darüber hinaus wurden teilweise öffentliche, von verschiedenen Verbänden (Studenten, Jugend, Kulturschaffende usw.) betriebene Klub-Häuser zu Relaisstationen – quasi Zwischenräumen – für die inoffizielle Kultur, wenn ihre Leiter sich dafür einsetzten. Das Beispiel Klubhaus Coswig zeigt auch, welche Risiken man dadurch einging. Nach der "Intermedia" wurde sein Leiter entlassen.
Nicht zuletzt wurden in engagierten Gemeinden auch Kirchenräume für die verschiedenen Szenen geöffnet. [15]
Es musste also Beweglichkeit in der Wahl der Räume geben und gleichzeitig eine immer wieder über solche Orte und Ereignisse angestrebte Vernetzung. Es gab – und auch das wird an den wenigen Beobachtungen deutlich – keine totale Abschottung der inoffiziellen Kunstszenen zu/mit staatlichen Einrichtungen, wiewohl eine solche Verbindung immer mit ihrer Unterbindung rechnen musste. Andererseits brauchten Aufführungen z.B. der Größe und des Umfangs von Lutz Dammbecks Mediencollagen – von denen im Folgenden noch die Rede sein wird - Räume einer bestimmten Größenordnung und ein Mindestmaß an möglicher Ausstattung. Eine Liste der Aufführungsorte von Dammbecks Mediencollagen macht etwas von dieser Gemengelage deutlich:
Folgt man am Beispiel des Klubhauses Coswig der Frage der Programmierung, wie sie auch in den beiden Eingangszitaten angesprochen wurde, so findet man eine unmittelbare Verbindung zur Entwicklung der Jazzszene in der DDR der 1980er Jahre und zu einer Tendenz, von hier aus intermediale Aufführungsformate zu entwickeln. Ein Beispiel für diese Tendenz – über deren Verzweigung bisher kaum Recherchen existieren – ist die Gruppe FINE (Dietmar Diesner, Lothar Fiedler, Christoph Winckel + Fine Kwiatkowski), von der im folgenden Textauszug die Rede ist, auf die ich an anderer Stelle zurückkommen werde. Mit den Programmen des ‚Jazzpodium Cottbus‘ (siehe 12) erwähnt Rainer Bratfisch ein weiteres Beispiel solcherart kunstspartenübergreifender Aktivitäten. [17]
Aus der im Folgenden zitierten Besprechung von Bert Noglik, 1984 in der verbandseigenen Zeitschrift „Unterhaltungskunst“ erschienen, wird deutlich, dass der „Intermedia 1985“ im Klubhaus Coswig drei Veranstaltungen unter dem Titel „Jazz In“ vorausgingen. Dieses Zitat sei hier als Platzhalter verstanden für genauere Recherchen und differenzierte Untersuchung musikalisch-performativer Aufführungen. Improvisation wäre dabei ein wichtiger Bezugspunkt.
Die Zeit – DDR 1985
Tannert: Kann sein. Kann auch nicht sein. In der DDR war alles politisch.
War meine Frage falsch gestellt? Gab es eine Kontinuität in der Entwicklung dessen, was ich/man inoffizielle Kunst-, Literatur-, Musikszene nennt? Hat die spezifische gesellschaftliche und politische Atmosphäre keine Spuren in den Ereignissen der Zeit hinterlassen, sie genötigt / benötigt? Muss man nicht gerade in Hinblick auf solche Ereignisse von gesellschaftlichen Atmosphären sprechen? Es geht ja nicht vor allem um Faktisches – Zahlen, Verlautbarungen, Gesetze -, sondern um Emotionen, Aussichten, Stimmungen und um das Verhältnis des einen zum anderen.
Das Singuläre eines solchen Ereignisses wie „Intermedia Coswig 1985“ liegt – so meine eingangs formulierte These – in einer genauer zu beschreibenden Konstellation von Ort – Akteuren – Zeit. Genau diese Konstellation macht ein Ereignis, einen ephemeren vergangenen Vorgang, der in den medialen Spuren nur transformiert zugänglich wird. Für die Geschichtsschreibung der Performance- und Aktionskünste ist die Beachtung der Zeit – in diesem doppelten Sinne von Dauer und Zeitgenossenschaft – unabdingbar.
Offensichtlich aber braucht diese Arbeit an und mit der Geschichte eine (zeitliche) Distanz, ohne dass sie genau zu beziffern ist. Vielleicht ist der Abstand zu den 1980er Jahren noch nicht groß genug. Die genaue Beschreibung bleibt vorerst als Aufgabe bestehen.
Es gibt drei Aspekte, die beim Durchblättern der zahlreichen Texte sowohl der 1990er Jahre als auch der in den vergangenen Jahren erschienen resümierenden Bände oder Kataloge als besondere Zutaten der Situation für die ‚Szenen‘ in der DDR Mitte der 1980er Jahre wiederholt auftauchen.
Es sind da die Ausreisewellen seit dem Ende der 1970er Jahre, die im Jahre 1984 einen zahlenmäßigen Höhepunkt erreichen [18], um dann nicht mehr abzureißen. Die Erteilung von Ausreisegenehmigungen erscheint ebenso wie die an KünstlerInnen (Wieviele? Gab es Kriterien?) vergebenen Dauervisa immer wieder als Ventil, das vom Staat geöffnet wurde. Die „Intermedia 1985“ wurde so nicht nur ein ‚Hinterbliebenentreffen‘, wie es Tannert oben formuliert hat, sondern auch für weitere Künstler, die wie Dammbeck, Tohm die Roes, Christine Schlegel teilnahmen, zur letzten gemeinsamen Aktivität vor der eigenen Ausreise.
[Anita Kenner = Tannert 1988, 95]
Papenfuß
P: Ich konnte nach 1987 ganz legal in den Westen fahren, wo ja schon viele Freunde und Bekannte von mir lebten. Und die wollten mich vor eine klare Entscheidung stellen: entweder du bleibst im Osten oder du kommst rüber zu uns und wirst einer von uns. Und da dachte ich mir: Becks-Bier für ewig, nee, das willst du nicht. Ich fand den Westen einfach ästhetisch häßlich!
[Galenza / Havemeister 2005, 105/106]
„Zudem muss an dieser Stelle die lange Reihe der Künstler erwähnt werden, die im Laufe der 80er Jahre das Land Richtung West verließen. (…) Überschaut man dies, so offenbart sich, dass es gut ein Drittel der Künstler gewesen sein mag, die bis zum Spätherbst 1989 ausreisten! Die dadurch wieder und wieder gerissenen Lücken waren in der Kunstlandschaft, in den Köpfen präsent – deprimierend und aktivierend zugleich.“
[Jörg Sperling, Die 80er in meinem Rückspiegel. In: Warnke / Quaas 2009, 191-194]
Diese Zitate müssen fürs Erste und stellvertretend für weitere Recherchen die Bedeutung dieses im wörtlichen Sinne räumlichen Zerreißens der Szene(n) anschaulich machen.
Der zweite Aspekt ist die ständige Beobachtung und – wie sich nachträglich herausstellte – Infiltration der verschiedenen Szenen durch die Staatssicherheit sowie die Tatsache, dass man es wusste, ständig auf der Hut war, sein musste, aber trotzdem seine Aktivitäten, Konzerte, Aufführungen durchzog.
Wir haben generell versucht, das zu machen, woran wir Spaß hatten, und mit den Texten nach unserem Gustus umzugehen. Und hinterher musste man halt gucken, was passierte und notfalls seinen Arsch retten.
(…)
Papenfuß: Ich hab mich immer auf mein Gefühl verlassen. Die Paranoia war real und man musste sich irgendwie damit auseinandersetzen, mit wem man wie spricht.“
[Galenza / Havemeister 2005, 102/103]
Die kulturellen Lockerungen seit Mitte der achtziger Jahre ermöglichten einiges. Die Herrschenden mussten verdutzt feststellen, dass ihnen langsam die Jugend abhanden kam, sie begannen zu lavieren. So gelang wenigen engagierten Einzelpersonen die Dehnung der Nischen. Auf einmal tauchen die flink unter dem Label ‚die anderen Bands‘ einsortierten in den staatlichen Medien auf. Jugendradio DT 64 gab sich mit dem seit 1986 gesendeten „Parocktikum“ tolerant, wenige Zeitschriften widmeten sich vereinzelt den nachrückenden Neutönern…“
[Galenza / Havemeister 2005, 10-12]
Havemeister / Galenza benennen hier am Beispiel der Punk-Bewegung die Folge von gewaltsamer Zerstörung durch die Stasi, die Wiederbelebung durch neue Protagonisten und spätere kulturpolitische Lockerungen – eine Abfolge von Maßnahmen und Reaktionen, die auch für andere als die Musikszenen zu untersuchen wären.
Den Versuch, kompromisslos zu sein, sein Ding durchziehen, nicht ängstlich, aber vorsichtig zu sein, eher den Kopf und die Sprache freilegen als noch auf irgendeine systematische Veränderung zu hoffen – das sind Aspekte der Haltung, die von zahlreichen Aktiven der inoffiziellen Musik-, Literatur- oder Kunstszene für die 1980er Jahre beschrieben werden.
„Wenn sich also im Spiel der Strukturen durchaus Unlustiges aus der Sprache herausschält, werden an den Leser hohe Ansprüche gestellt. Das betrifft v.a. seine Bereitschaft, im Kreiseln der Worte und in den Gegenkonstruktionen, die sich keiner Wahrheit anbequemen, einen Affekt wahrzunehmen, ein untergründiges Versprechen auf eine variable und offene Empfindlichkeit.
Der verschwiegene und verbissene Kampf um die Worte und Bilder wird darum geführt, die Daeinskoordination eines Teils unserer Generation mit Sprache, d.h. mit Literatur neu zu besetzen.“ [Böthig 1986 zu „Wort & Werk“. In: Hesse / Tannert 1990, 8]
Inwiefern – und das wäre der dritte Aspekt einer Zeitgenossenschaft der 1980er Jahre – wird diese Haltung immer aufs Neue bestätigt oder immer wirksamer durch die ablehnenden Reaktionen der DDR-Regierung und der SED auf die versuchte Politik Gorbatschows (1985), die alles daran setzten, ein Übergreifen von ‚Glasnost‘ und ‚Perestrojka‘ aufs eigene Land zu verhindern.
Die Akteure
Als zentrale Koordinate der auf dem Festival Intermedia Coswig 1985 sichtbar werdenden Konstellation und Netzwerk seien hier drei Gruppen von Akteure verstanden, die sich natürlich auch überschneiden können /überschnitten: zum einen die Organisatoren und Kuratoren, zum zweiten die KünstlerInnen, die wiederum in zweierlei Weise agieren konnten, zum dritten das Publikum, das natürlich auch aus den beteiligten KünstlerInnen bestand und zu dem auch die Berichterstatter (Fotografen, Rezensenten) und nicht zuletzt die Beobachter der Stasi gehörten. Alle Rollen konnten durchaus in mehrfach Besetzung existieren. Als wichtigste Informationsquelle, die auf dem aktuellen Stand als vollständigste erscheint, dient mir hier die von Wolfgang A. Scheffler gestaltete Einladungskarte. [19]
Als Organisator ist dort der Leiter des Klubhauses Wolfgang Zimmermann genannt ebenso wie die beiden Kuratoren Michael Kapinos und Christoph Tannert dort als Beratung aufgeführt sind.
Foto: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek
Die Liste der Künstler und Künstlerinnen ist zweigeteilt, mit gelegentlicher personeller Überschneidung. Der Programmablauf der Aufführungen / Performances / Konzerte der beiden Tage enthält die Namen der Formationen, ihrer Mitglieder und deren Medium/ Instrument.
HERAKLES Mediencollage (Lutz Dammbeck als Autor taucht auf der Karte nicht auf.)
Mit Fine Kwiatkowski, Hans-Jürgen Noack, Lothar Fiedler, Gottfried Rößler, Dietrich Oltmanns
KLICK & AUS „Aids delikat“
Mit Sala Seil, Evolinum, Tohm die Roes, Pjötr Schwert, ToRo Klick
Pfff…
Hans J. Schulze, Frank Zappe, Jürgen Gutjahr
MAL KLEID
Kerstin Roßbander, Michael Freudenberg
HARD POP
Stephan Hachtmann, Armin Bautz, Ralf Lepsch u.a.
2.6.
RENNBANDBAND * OTZE (Malerei unter Verwendung von Musik)
Andreas Hegewald, Lutz Peter Naumann, Claudia Böttner, Klaus Werner u.a. + Jörg Sonntag, Christiane Just, Bodo Münzner, Michael Hengst (Malaktion)
TANZ UND PROJEKTION
Christine Schlegel, Fine Kwiatkoswki, Gabi Kachold, Stefan Schilling, Matthias Schneider, Jens Tuckindorf
KARTOFFELSCHÄLMASCHINE
Klaus Hähner-Springmühl, Gitte Springmühl, Frank Raßbach
MUSIKBRIGADE – HANNE WANDTKE
Hanne Wandtke, Hans-Jürgen Noack, Lothar Fiedler, Gottfried Rössler
OTZE
Tom Trietschel, Rene Bestvater, Uwe J., Aldo Scheck
Eine weitere Liste enthält die Namen der KünstlerInnen, die ‚Faltrollobilder für Intermedia präsentieren‘:
Was es mit der Herstellung der Faltrollos auf sich hatte, hat Christoph Tannert in unserem Gespräch im August 2010 erläutert:
BB: Es war ja eine recht große Anzahl von Künstlern (ca. 40), die diese Rollos gemacht haben. Kamen sie aus der ganzen Republik? Die haben Sie kuratiert oder ausgesucht?
Interessant ist, was Tannert hier deutlich formuliert, dass aufgrund der Einladungspolitik und der Arbeit der Kuratoren – gerade in Hinblick auf der Vergabe der Faltrollo-Malerei – eine Mischung von Szenen, inoffiziell, semi-offiziell usw. im Publikum und als Akteure zustande kam, über deren gegenseitige Beobachtung, zur Kenntnisnahme, Reaktion viel zu wenig bekannt ist.
Ein zukünftiges Archiv performativer Kunstformen / Aktionen (der DDR) darf das Wissen über das Publikum (natürlich soweit überhaupt nachvollziehbar) nicht vernachlässigen - auch deswegen, weil offenbar aus dem Publikum wiederum Initiativen kamen, sich in den Ablauf einzumischen. Tannert thematisiert das hier am Beispiel der Punks.
INTER MEDIA – Fragen an Sujets, Motivationen, Stile und künstlerische Gesten
Nach diesem ersten Gang durch ein noch nicht vorhandenes Archiv und der Ausbreitung von methodischen und anderen Fragen zu Ablauf, Koordinaten und zur Relevanz dieses Ereignisses möchte ich zum Abschluss (vorläufig) zwei Aspekte umreißen, an denen mir eine Tiefenbohrung in Hinblick auf Positionen des Intermedialen, der Gestimmtheiten – wie Tannert es formuliert hat -, auf Arbeitsweisen und Themen, die das Vorgeführte an die Oberfläche holt, sinnvoll erscheint.
Das erste Stichwort lautet Expressivität, Neo-Expressionismus und verbindet sich mit der Frage, ob es – so wie Tannert es schon im obigen Zitat andeutet, aber im Folgenden noch deutlicher werden lässt – ein grundlegendes verbindendes Element dieser Szenen, eben auch über die einzelnen Medien oder Formate hinaus, ist, dass ein expressiver Gestus im Zentrum steht. Ist es das, was nicht nur die zahlreich an der Erstellung der Faltrollos beteiligten Maler, Zeichner etc. verbindet, sondern auch die Aufführungen, Präsentationen kennzeichnet?
Und ist dieser expressive Gestus ein existentiell grundierter – der eben auf starke emotionale Affizierung setzt und von ihr (z.B. Wut) gestimmt ist? Inwiefern ist dieser Gestus auch besondere Referenz an deutsche Kunstgeschichte und eine Anti-Haltung zu dem, was in der DDR kulturpolitisch bis in die 1980er Jahre als künstlerische Haltung proklamiert wurde bzw. eben negativ besetzt war?
BB: Das interessiert mich sehr – dass sich der expressive Gestus so durchzieht, in dem was man inoffizielle Kunst nannte. Kann man erklären, warum es nur auf diesen Gestus zugelaufen ist. Wenn man die westliche Entwicklung z.B. der 1960er Jahre nimmt, dann spielt ja das Coole, Antiexpressive eine große Rolle (als Gegenbewegung gegen den Kunstbetrieb).
Tannert: Von Temperaturabsenkung, Minimalisierung, Abgeklärtheit kann man zumindest im Bereich der subkulturellen Szenen in den geräuschvollen 80er Jahren in der DDR nicht sprechen. (…) Man musste ja erst eine lange Strecke in diesem Tretrad des Alltäglichen verbringen bis man dann die Wut mal herausgelassen hat. Leise zu sein, dass konnte man immer noch irgendwie. Also hat man da herum gerotzt, sich nackig gemacht und auf die Pauke gehauen. Es wurden Sprachen gesprochen, die fluxistisch, dadaistisch, lettristisch, punkig, chaotisch klangen und die Grundlagen des ND-Deutschs ver-rückten. [ ]
An anderer Stelle konstatiert der Autor, dass Mitte der 1980er Jahre versucht wird, eben diesen expressiven Gestus kulturpolitisch zu integrieren.
Zumindest muss in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Ausstellung „Expressivität heute – Junge Maler der DDR“ geworfen werden, die 1985 in Berlin stattfand und in der eine Reihe der MalerInnen, die zu den Faltrollos der "Intermedia" beitrugen, vertreten waren. [21]
Will man dieser Spur des weitgehend expressiven Gestus und damit einhergehender künstlerischer Sprache/n folgen, kann es allerdings nicht allein um das malerisch Expressive gehen, sondern ist unter intermedialen Aspekten gerade interessant, wie der Gestus in und über verschiedene Medien und Künsten zu je eigenen Formen findet.
Und wir lesen, was ein Involvierter über die in den Künstlerzeitschriften der 1980er Jahre erschienen literarischen Texte schreibt, aus Anlass der Ausstellung „Wort und Werk“, die 1986 in der Berliner Samariterkirche stattfand:
Viel ist, vor allem für die unbefleckten Gehörgänge von ‚Kunstempfängern‘, vom Dreck die Rede, vom Schmutz des Lebens, Bitternis und Zorn beherrschen oft die Bilder. (…)
Man muss der Emotionalität, der intellektuellen Sinnlichkeit oft erst auf die Spur kommen, sie ist dem vermauerten Blick verborgen hinter artistischen Verschanzungen aus Wortakrobatik (…). Die Antwort ist zuweilen böse, auch schreiend, manchmal eiskalt.“
[P.Poltrie = Peter Böthig 1986. In: Hesse / Tannert 1990, 53/54]
In Hinblick auf die performativen Formate der späten 1980er Jahre und rückblickend aus einer anderen Zeit beschreibt Else Gabriel, Autoperforationsartistin damals, künstlerische Gesten und ihre Rezeption:
Performances waren (zumindest nach unserem Verständnis) schon ihrer Natur nach verschlüsselt durch die individualistischen Handlungen und Rituale und erfüllten damit die Funktion einer doppelten Provokation: Als Person, als Künstler/in, als Körper explizit in Erscheinung zu treten, ohne Medium zu sein für eine staatlich sanktionierte (künstlerische) Botschaft (oder doch wenigstens für eine erkennbare ‚Antibotschaft‘) war unerhört, undenkbar, weshalb in den Tätigkeiten, Requisiten, Kostümen, Textfetzen nach Hinweisen gesucht wurde, die diese Auftritte in einen gesellschaftlichen Kontext hätten stellen können. Natürlich gab es diesen, nur nicht in der Form, wie erwartet und gesucht.“ [Gabriel 2006, 363/364]
Zu untersuchen bleiben als zweites - mit einer Stichwortfolge - die Verhältnisse und Transformationen von Bild – Bewegung – Film. Bewegung im Zentrum dieser Folge fungiert als Scharnier für Inter-Mediales oder markiert die Verbindung zwischen verschiedenen künstlerischen Genres und Formaten.
Mit „Herakles“, der Mediencollage von Lutz Dammbeck wurde – so sagt das Programm – die „Intermedia“ in Coswig eröffnet. Dammbecks Form und Format der Mediencollage ist ein herausstechendes Beispiel für Intermedialität als Inszenierung einer Collage, die mit Ton, literarischen Texten, Bild und Schrift, Film und Diaprojektion, installativer Anordnung und Bewegung im Raum arbeitet. Der Mediencollage „Herakles“ war eine mehrjährige Vorarbeit zum Thema vorausgegangen, die – so Dammbecks Wunsch und Vorstellung – in einen 35mm-Film münden sollten. Mehrere Versuche, offizielle Förderung durch die DEFA für das Projekt zu erhalten, schlugen fehl. [Gillen 1997, Löser 2008]
Erste Gedanken an ein Spiel im Raum, das alte Ideen von Dia- und Filmprojektionen in Räumen aufgreift. Dazu Einsicht in die Konsequenzen, nun ohne größere Öffentlichkeit und finanzielle Unterstützung arbeiten zu müssen. Vermittelt durch Musiker dann Kontakt zu der Tänzerin Fine: Mit ihr kommt Körperliches in das Konzept, ein Teil des Publikums hat Angst vor ihr. Nach zögerlichem, tastendem Beginn der Zusammenarbeit ein wunderbares Gefühl, während der Aufführungen aneinander vorbei und gegeneinander zu agieren oder während des Ablaufs den anderen im Raum zu sehen: Ach, da läuft Fine.
Ich entdecke den Raum, das Licht und lerne in der Zusammenarbeit mit den Musikern und Fine, mich auf einer Bühne zu bewegen. ‚Rauszugehen‘ und vor Publikum etwas vorzeihen: Hier!
Aus dem ‚Vernähen‘ der Bilder seit Ende 70er Jahre wird nun eine Montieren mit Licht, Texten, Musiken, Aktion, Film- und Diaprojektionen. Stilmittel ist die Montage. Was ist nun das Werk? Eine Summe von Wirkungen. Das Material: Originale, Zitate und Fundstücke, Gefühle, Ahnungen und Wissen. Verklebt, vernäht, überblendet – in den Raum gespielt und in Fotos wieder reproduziert.“ [Lutz Dammbeck: „…allein in die Schlacht mit dem Tier!“ Notizen zur Arbeit an der Mediencollage „Herakles“ 1981-1987. In: Dammbeck 1997, 38]
Textliches Rückgrat der Mediencollage ist Heiner Müller „Herakles 2 oder Die Hydra“ und die Geschichte der Gebrüder Grimm „Das eigensinnige Kind“. Es geht um Macht, Gewalt und Widerstand in deutscher Geschichte.
Das Intermediale ist bei Dammbeck – so sagt es das Zitat – zunächst vom Filmischen her gedacht und stellt den Begriff und das Vorgehen der MONTAGE ins Zentrum. Montage allerdings verstanden als ein Verfahren, das die Bruchstellen sichtbar werden, hervortreten lässt. Montage als ein Verfahren, das das heterogene Material, das zusammengefügt wird, nicht glättet und damit auch gegen die eine große Erzählung antritt, sie befragt. Mediencollage im Raum wird zur Übersetzung, zur Transformation filmischer Bewegung in die Bewegung der Körper, Töne und Bilder. [22]
Die Tänzerin Fine Kwiatkowski – die während der Intermedia nicht nur in Dammbecks „Herakles“ agierte – und die Gruppe FINE [23] stehen im Zentrum der Aktivitäten oder Performances, die Körper-Bewegung mit den Medien der filmischen oder bildnerischen Präsentation und Musik verbinden. 1982 trat die Gruppe FINE als Kooperation zwischen drei improvisierenden Jazzmusikern (Christoph Winckel, Dietmar Diesner, Lothar Fiedler) und Fine als Körper-Bewegung / Tänzerin zum ersten Mal auf – 1989 erschien aus Anlass einer der Gruppe gewidmeten Ausstellung der Leipziger Galerie „Eigen& Art“ eine Broschüre, die auch Fines Arbeit in Teilen dokumentierte. In dem voran gestellten offenen Brief von Liane Burckhardt heißt es:
Wichtig für Euch zu diesem Zeitpunkt war wohl, im jeweils anderen einen adäquaten Gegenpart gefunden zu haben, denn weder sollte die Musik die Bewegungen interpretieren, noch die Bewegung die Musik illustrieren etc. Es gelang Euch vielmehr, sich dem Anspruch zu nähern, in freier Improvisation vier eigenständige Ausdrucksweisen zu einer kaum zerlegbaren Gesamtheit zusammenzuführen, nicht im Sinne einer Gleichmacherei, sondern durch gleichberechtigtes Agieren und Reagieren, wobei die so entstandenen Formen Resultate des jeweiligen Augenblicks waren. Deine tänzerische Aussageform, Fine, ist in meinen Augen eine allein für Dich spezifische, keinerlei System verpflichtete Tanzweise.“ [Burckhardt 1989, 2+3]
Die besondere Arbeitsweise, die die Autorin hier als wesentliche Voraussetzung für das intermediale Agieren der Beteiligten benennt, ist auch aus heutiger Sicht für Fine Kwiatkowski [24] eine Grundlage für die damalige Zusammenarbeit mit Musikern, Bildenden Künstlern und Filmemachern. Sie lässt sich – so ihre Antwort auf meine entsprechende Frage – nur schwer beschreiben, da sie auf einem spontanen, weniger konzeptionell verabredeten, als freien miteinander Umgehen basiert, natürlich die Beherrschung des jeweiligen Instrumentes vorausgesetzt. Improvisieren als Basisbegriff heißt auch Freilassen, Loslassen, Energie freisetzen in einer Zeit, Mitte der 1980er Jahre, die Fine Kwiatkowski als ‚laute und sehr heftige Zeit‘ erinnert.
Improvisieren im Verbund mit Musikern, Malern und Filmern heißt, sich gegenseitig als Material zur Verfügung zu stellen. Es geht um das wechselseitige Eintauchen der Akteure und um die sinnliche Wahrnehmbarkeit der Medien-Verbindung für die Zuschauer. Was sich davon anhand der Spuren dieser Aufführungen nachvollziehen lässt, ob es überhaupt Spuren gibt, die auch das zentrale Moment der Bewegung und Beweglichkeit sichtbar machen, bleibt als weitere Frage.
Unter dem Programmpunkt „Tanz und Projektion“ agierte Fine Kwiatkowski auf der „Intermedia 1985“ mit anderen Bildenden Künstlern, darunter auch mit der Dresdner Malerin und Graphikerin Christine Schlegel. Sie begann in den 1980er Jahren – wie eine Reihe anderer malender KollegInnen – mit Super 8-Filmmaterial zu experimentieren. [25] Und sie verband die Präsentation / Projektion dieser ihrer Filme mit performativen Momenten – wie überhaupt die Vorführung dieser Filme einen deutlich anderen Aufführungscharakter hatte als eine ‚normale‘ Kinoprojektion. [26] Tannert beschreibt Schlegels Anteil an der Entwicklung:
Seit 1984 arbeitet Christine Schlegel mit Fine Kwiatkowski zusammen, die zu Musik und Filmprojektion sich bewegt, bewegend improvisiert, in die Strukturen der stark vom Malerischen konzipierten Filme eintaucht, mit ihnen verschmilzt oder sie aufraut. [27] Schlegel schildert in ihrer autobiografischen Erzählung sehr eindrücklich, wie sie von der Malerei, der Zeichnung ausgehend, sich für Film und Körper-Bewegung zu begeistern begann.
Schlegel experimentierte mit dem Übermalen von Filmmaterial, das Kader für Kader bearbeitet wurde und sie begann mit der Projektion von Film auf bewegte Körper. Fine Kwiatkowski war ihr dazu die ideale Partnerin. Schlegel reiste 1986 aus der DDR aus, nahm aber nach 1989 ihre Zusammenarbeit mit Fine Kwiatkowski wieder auf.
Dieser Blick in Texte und auf Bilder – exemplarisch anhand der Arbeit dreier an der Intermedia mit Aufführungen beteiligter KünstlerInnen – macht eine ganze Fülle von Aspekten deutlich, die anhand weiteren Materials zu präzisieren und zu vertiefen wären.
Nicht zuletzt fehlt hier der SOUND DER INTERMEDIA 1985 – to be continued.
PDF Download Qucosa Publikationsserver
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-71279
Fußnoten
Im Bereich der Bildenden Kunst-Geschichte werden die performativen Formen entweder eher unter kunstsoziologischen und kulturwissenschaftlichen Aspekten des aus dem System Fallens oder als eine von den Protagonisten der Szenen beschriebenen Selbstvergewisserung der eigenen Geschichte betrieben. Intermedia Coswig taucht oftmals quer zu diesen Ausschnitten in verschiedenen Geschichten auf.
[2] Als Beispiele seien genannt:
Christoph Tannert: ‚Intermedia I‘ in Coswig 1985. In: Eckardt / Kaiser 2009, 308-319
Christoph Tannert: Coswig 1985. In: Galenza / Havemeister 2005, 413-418
Anita Kenner (Pseudonym von Tannert): Avantgarde in der DDR heute. In: Niemandsland H.5, 1988, 94-110
[3] Um 2003 sind einige Bände zum Thema erschienen: so Fischer-Lichte u.a., Rathmann, Müller-Schöll, Mersch
[4] Thomas Rathmann diskutiert und erläutert in der Einleitung zum Band die Rolle und Kritik des Ereignis-Begriffes für die Geschichtswissenschaften und hält dort fest, dass dem Ereignis-Begriff gerade aus kulturhistorischer Perspektive neuerdings wieder Relevanz zugesprochen wird. „In den Blick geraten wieder die historischen Akteure und deren Teilhabe an historischen Prozessen, ihren Formen und Praktiken der Aneignung von Kultur und damit auch das Ereignis, wenn auch jetzt weniger in der alten Spielart als große Staatsaktion, sondern als kontingentes Konstrukt kommunikativen, diskursiven oder rituellen Handelns.“
[6] Siehe dazu Gilles Deleuze / Felix Guattari: Tausend Plateaux. Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin 2010 (3. Aufl.)
[7] Siehe als Beispiele die folgenden Bände:Joachim Paech (Hg.): Film, Fernsehen, Video und die Künste. Strategien der Intermedialität, Stuttgart 1994; Jürgen E. Müller (Hg.): Intermedialität. Formen moderner kultureller Kommunikation, Münster 1996; Jörg Helbig (Hg.): Intermedialität. Theorie und Praxis eines Forschungsgebietes, Berlin 1998sowie: Barbara Büscher: InterMedia. Zur Materialität der Medien in Expanded Performing Arts. In: Ontrup / Schicha 1999, 19-37
[8] Das Projekt „Duck and Cover“ wurde 1983 zum ‚Heißen Herbst‘ der Bewegung gegen das nukleare Wettrüsten gegründet und spielte z.B. auf dem 14. Festival des politischen Liedes in Berlin (DDR). Die politische Zielsetzung macht das Projekt natürlich interessant, aber Gisela Nauck betont in ihrer Besprechung einen weiteren Gesichtspunkt: „Interessant und studierenswert ist vor allem das Konzept einer solchen – in diesem Fall politisch – angewandten Musik, in der die Berührungspunkte zwischen progressiver ‚elitärer‘ Avantgarde und massenhaft rezipierter, populärer Musik fruchtbar gemacht und damit Wertvorstellungen von ‚niederer‘ und ‚hoher‘ Kunst aufgebrochen werden.“ (Gisela Nauck: Duck and cover 83. In: MuG 7, 1984, 353-356, hier: 356).
Das ganze Heft der Zeitschrift ist dem Thema „Musik zwischen den Genres“ gewidmet ist und behandelt u.a. das instrumentale Theater, Liedertheater und Synthetisierung in den Künsten.
[9] Siehe dazu: Matthias Herrmann: Die Zweite Realität. Avancierte Musik in Dresdner Institutionen zwischen 1950 und 1989. In: Eckardt / Kaiser 2009, 136-145, hier: 142
[10] Der Programmzettel ist als Abbildung im Text von Herrmann (s. 9) abgedruckt, a.a.O., 140
[11] Siehe dazu z.B.: Paul Kaiser, Vom Standard der Moderne. A.R. Penck und die Künstlergruppe ‚Lücke‘. In: Eckardt / Kaiser 2009, 70-83; Christoph Tannert: Mit Trommelstöcken auf Patrouille. AR. Penck als Musiker. In: Galenza / Havemeister 1999/2005, 356-361; sowie zahlreiches Material in: Jürgen Schweinebraden (Hg.): Die Gegenwart der Vergangenheit Bd. 1 + 2, Niedenstein 1998
[12] Zu Cottbus schreibt der Autor: „Jazzpodium Cottbus – Initiiert von Jörg Tudyka verknüpfte es in den folgenden Jahren in kleinen Klubprogrammen, Workshops, verfremdeten Revuen und Performance-Abenden im Klub ‚Südstadt‘, dem Kulturhaus des Textilkombinats Cottbus (TKC) und im Klubhaus der Jugend, veranstaltet von der AG Jazz Cottbus in Kooperation mit der Konzert- und Gastspieldirektion Cottbus, zeitgenössischen Jazz mit Rock, insbesondere Post-Punk, avantgardistischem Puppenspiel und Theater sowie mit Ausstellungen und Installationen bildender Künstler.“ [Bratfisch 2005, 315]
[13] Diese Liste findet sich in einer Fußnote – allerdings ohne genauen Verweis darauf, wie sie zustande kam. Siehe Kaiser / Petzold 1997, 112
[14] Siehe dazu z.B. Bernd Lindner: Eingeschränkte Öffentlichkeit? Die alternative Galerieszene in der DDR und ihr Publikum. In: Schweinebraden Bd.1, 1998, 225-233
[15] Siehe z.B. das publizierte Gespräch zwischen Rainer Eppelmann, dem Pfarrer der Samariterkirche in Berlin, und Christoph Tannert. In: Niemandsland H.3, 1987, 97-106
[16] Diese Liste habe ich zusammengestellt nach den Informationen „Lutz Dammbeck:Filmografie / Mediencollagen“, die veröffentlich sind unter: http://www.bundestag.de/kulturundgeschichte/kunst/kunst_ausst/dammbeck/filmografie.html
[17] Wie kontrovers solche Gesamtdarstellungen wie Bratfischs Geschichte der Jazzszene in der DDR diskutiert werden, machte mir ein bei der Internetrecherche gefundener Offener Brief des Jazzers Dietmar Diesner an den Verleger Christoph Links deutlich, dessen Kritik sehr grundsätzlich formuliert ist.
[18] Das erwähnen verschiedene Überblicksbände zur Geschichte der DDR, z.B.: Ulrich Mählert, Kleine Geschichte der DDR, München 2009 (6. überarb. Aufl), 133 ff; Hermann Weber: DDR – Grundriß der Geschichte, Hannover 1991 und Bernd Eisenfeld: Die Ausreisebewegung – eine Erscheinungsform widerständigen Verhaltens. In: Ulrike Poppe u.a. (Hg.): Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstandes und der Opposition in der DDR, Berlin 1995, 192-223
[20] Diese Liste ist eine (versuchte) Reinschrift, der auf der oben abgebildeten Karte gelisteten Namen. Ich habe sie abgeglichen mit einer Liste, die Tannert im Anhang seines Textes für den Katalog „Ohne uns!“ veröffentlichte [Tannert 2009, 319], die nur einen Auszug der Namen enthält.
[21] Die auf – und abschwellende Auseinandersetzung der offiziellen Kulturpolitik und der Kunstkritik (die nicht einfach identisch sind) in der DDR mit der spätbürgerlichen Moderne – u.a. dem Expressionismus – und das Andocken verschiedener Künstlergenerationen u.a. an Expressionismus und expressiven Gestus untersucht:Ulrike Niederhofer: Die Auseinandersetzung mit dem Expressionismus in der Bildenden Kunst im Wandel der politischen Realität der SBZ und der DDR 1945-1989, Frankfurt/M. 1996.
Dort st auch die Rede von der erwähnten Ausstellung „Expressivität heute – Junge Maler der DDR“ [Niederhofer 1996, 319 f.]
[22] Einiges an Material ist veröffentlicht auf der Doppel-DVD, die 2008 in der Edition Filmmuseum erschienen ist: Lutz Dammbeck: Filme und Mediencollagen 1975-1986. Sie enthalten nicht nur verschiedenes Filmmaterial (eher wenig) zu den Mediencollagen, ein ausführliches Filminterview mit Dammbeck sondern im ROM-Teil der DVD auch eine Reihe von schriftlichem Material zu den beiden Mediecollagen „Herakles“ und REALfilm“, einschließlich von Ablaufplänen der Aufführungen.
[23] Siehe dazu: Barbara Lubich: FINE. Gruppe und Kunstfigur. In: Eckardt/ Kaiser 2009, 320-331
[24] Diese und die folgenden Aussagen beziehen sich auf ein Gespräch, dass ich mit Fine Kwiatkowski am 21.9.2010 in Berlin geführt habe.
[25] Siehe dazu: Christoph Tannert: Von Vortönern und Erdferkeln. Die Filme der Bildermacher. In: Karin Fritzsche / Claus Löser (Hg.) Gegenbilder. Filmische Subversion in der DDR 1976-1989, Berlin 1996, 25-60. Dazu auch die DVD „Gegenbilder. DDR-Film im Untergrund 1983-1989“ hg.v. Claus Löser, 2008
[26] Siehe dazu auch: Jeannette Stoschek: Lust auf Bilder. In: Dieter Daniels / Jeannette Stoschek (Hg.): Grauzone 8mm. Materialien zum autonomen Künstlerfilm in der DDR, Ostfildern 2007, 15-22
[27] Erste Eindrücke geben die Beschreibung von Tannert [Tannert 2001] und die Bilder im Katalog: Angelika Richter / Beatrice E.Stammer / Bettina Knaup (Hg.): Und jetzt. Künstlerinnen aus der DDR, Nürnberg 2009, 90+91
* Im Anschluss an diesen Beitrag drucken wir den gesamten Text „Intermedia. Versuche kollektiver Kunstproduktion“ mit freundlicher Genehmigung des Autors Christoph Tannert ab. Nicht nur der hier nicht zitierte Rückbezug auf die historische Avantgarde, den T. herstellt, ist interessant, auch die von ihm beschriebenen Projekte sollen noch einmal öffentlich genannt sein, um sie weiterer Recherche zu empfehlen.
Literatur
Uta Grundmann u.a. (Hg.): Die Einübung der Außenspur. Die andere Kultur in Leipzig 1971-1990, Leipzig 1996