Source Materials of the Contemporary Arts – Das Buch als Medium für neue Kunst
Kasper König und Benjamin Buchloh als Herausgeber am Nova Scotia College of Art and Design in den 1970er- und 1980er-Jahren
Barbara Büscher (Leipzig/Köln)
Yvonne Rainer: Work 1961-1973, eine der wichtigsten Quellen über die frühen Arbeiten der Tanz- Film-Künstlerin und Choreografin, erschien 1974 in Halifax (Kanada), in einer von Kasper König am Nova Scotia College of Art & Design (NSCAD) (1) kuratierten und produzierten Buchreihe. Es hat mir wesentliches Material geliefert für die vertiefende Beschäftigung mit Rainer als einer der an Nine Evenings: Theater and Engineering (1966) beteiligten Künstler_innen.
In den letzten Jahren bin ich mehrfach auf die Nova Scotia Series gestoßen, auf eine wiederkehrende Beschäftigung mit Büchern von Künstler_innen über ihre Arbeit, ihre Arbeitsweise dokumentierend, die gemeinsam mit ihnen entstanden sind und die eine besondere Form von ‚Archiv‘ bilden, die nicht mit einem Werk- oder Ausstellungskatalog zu vergleichen sind. Sie sind es auch deswegen nicht, weil sie von künstlerischen Arbeiten handeln, die weniger ein abgeschlossenes Objekt als Werk umfassen, als vielmehr konzeptuelle und performative Prozesse beinhalten.
Hinweise gab es zunächst in der Ausstellung Kasper König – The Formative Years, die das Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (ZADIK) 2014 aus dem ihm übergebenen Vorlass von König zeigte (2), 2013 aber auch in der Ausstellung CONTINENTAL DRIFT. Konzeptkunst in Kanada. Die 1960er und 1970er Jahre im Badischen Kunstverein Karlsruhe, die sich in einem Kapitel dem NSCAD widmete und dessen langjährigen Präsidenten Garry Neill Kennedy zu einem Gespräch mit Kasper König einlud (3). Im ZADIK-Archiv wiederum fand ich den Verweis auf ein Projekt, das Ute Meta Bauer 1994 am Künstlerhaus Stuttgart initiiert und in Kooperation mit dem Münchner Kunstverein (Helmut Draxler) und dem Wiener Depot (Stella Rollig) realisiert hatte: Lesezimmer II. Internationale Künstler-und Kulturzeitschriften der 1970er Jahre + Künstlermonographien der NOVA SCOTIA PRESS (4). Seit geraumer Zeit gibt es offenbar ein ausgeprägtes Interesse an dieser Art von Publikation(stätigkeit), die nicht nur mir – wie oben erwähnt – als Quellenmaterial und zeitnahe Selbstdokumentation wertvolle Hinweise über den historischen Stand von Arbeitsprozessen und -verfahren der Künstler_innen gab und geben kann.
Dieser Aspekt wird in den im Folgenden auszugsweise dokumentierten Überlegungen Kasper Königs sowie in weiteren Publikationen aus den 1970er Jahren mit dem Begriff ‚Information‘ beschrieben. Am Beispiel der Nova Scotia Series zeigt sich die damit verbundene Konzeption als eine Möglichkeit, das vielfältige Verhältnis von Kunstproduktion und Buch zu verstehen.
Das in Teil I dieses Beitrages dokumentierte Gespräch zwischen Ute Meta Bauer und Kasper König handelt von der Motivation, Bücher als Medium für zeitgenössische Kunst zu konzipieren, und dem Arbeitskontext, aus dem heraus die Buchreihe Nova Scotia Series 1972/73 begründet wurde. König arbeitete von 1972 bis 1976 im Nova Scotia College of Art & Design an der Etablierung der Reihe mit verschiedenen Künstler_innen zusammen, die sich anhand der Liste der Buchveröffentlichungen, die ich im Teil II zusammengestellt habe, erschließen. 1978 übernahm Benjamin H. D. Buchloh die Herausgeberschaft und ergänzte die Nova Scotia Series durch die Reihe Nova Scotia Pamphlets.
Zum oben erwähnten 1994 veranstalteten Projekt Lesezimmer II gehörten eine Reihe von Gesprächen, die Ute Meta Bauer mit Herausgeber_innen entsprechender Publikationen führte. So auch eines mit Kasper König, aus dessen Transkript im Archiv des ZADIK dieser (leicht überarbeitete) Auszug stammt.
Interview mit Kasper König über die Nova Scotia Series, Source Materials of the Contemporary Arts, geführt in der Städelschule von Ute Meta Bauer, Oktober 1994
Ute Meta Bauer (UMB): Herr König, Sie haben die ersten Publikationen der Nova Scotia Series herausgegeben. Die Nova Scotia Series, auch betitelt als Source Materials of the Contemporary Art, war eine Reihe von Künstlermonographien, die unterschiedlichen Disziplinen angehörten. Was war das besondere an dieser an der Peripherie gelegenen Nova Scotia Schule in Halifax, Kanada? In welcher Zeit und unter welchen Umständen sind Sie überhaupt dort hingekommen?
Kasper König (KK): Das Ganze hatte natürlich eine Vorgeschichte. In Nordamerika gibt es die Tradition der Universitätsverlage, und ich hatte mich darum bemüht, einen Verlag zu finden, der bereit war, Forschungsarbeit zu ermöglichen und Autoren aufzufordern, quasi ihre Archive zur Verfügung zu stellen. So sollten Projekte und Objekte zusammenkommen und das bezog sich in erster Linie auf die sehr starken Impulse, die erst in den 60er-Jahren in der bildenden Kunst in Amerika passiert sind, vorrangig dort, wo sie sich nicht nur auf traditionelle bildende Kunst bezog, sondern wo Impulse aus verschiedenen Bereichen gleichzeitig entstanden und auch rezipiert wurden. (...)
Und so habe ich eine ganze Anzahl von Vorträgen an verschiedenen Kunsthochschulen und Universitäten zu dem Thema des Buches als künstlerisches Mittel gehalten. Einmal das Buch wie es seit Jahrhunderten funktioniert und dann eine Phase, in der Künstler es bevorzugt haben, eine Publikation anstelle einer physischen Ausstellung zu machen, z.B. die Initiative von Seth Siegelaub oder Lawrence Weiner. Ich habe informiert und die Bücher im Koffer mitgebracht, Bücher von Stanley Brown, Hanne Darboven, Broodthaers oder anderen. Das Ganze hatte die Form eines Seminars. Über Dan Graham, mit dem ich seit vielen Jahren gut bekannt bin, ist dann der Kontakt nach Nova Scotia hergestellt worden. Das Nova Scotia College hatte eine sehr gute Abteilung für Lithografie, Radierung und Grafik und hatte schon sehr früh eine ganze Anzahl von Künstlern eingeladen. Anfangs bestand der Wunsch seitens des Colleges, die Bücher an Ort und Stelle zu drucken, aber ich habe ihnen deutlich gemacht, dass es nicht um bibliophile Angelegenheiten geht, sondern primär um Information.
Und dann haben wir eine Anschubfinanzierung vom Canada Council bekommen und ich habe den Kontakt zur New York University Press hergestellt, um über eine Auslieferung zu verfügen. Damit es auch wirklich wahrgenommen wird, bestand der Wunsch, mit mindestens drei Büchern gleichzeitig herauszukommen. Ich hatte dann einen Job als Associate Professor in Nova Scotia. (...)
Und dann gab es die Praxis, dass die Autoren eine Weile in Nova Scotia selbst waren, sich ausschließlich um die Bücher kümmern konnten, zugleich auch für das College präsent waren, mal einen Vortrag hielten oder anderweitig Kontakt herstellten. So ist dieser Verlag entstanden und das Modell war eigentlich die Serie Documents of 20th Century Art, die Robert Motherwell und Capell am Ende des 2. Weltkrieges in New York herausgegeben haben und die durch den Verleger und Buchhändler George Wittenborn, Wittenborn & Schultz, ermöglicht wurde.
UMB: Aber das ist doch relativ ungewöhnlich bei uns, von den Universitäten und Kunstakademien aus gesehen, da wird ja nicht so sehr bibliophil gearbeitet ...
KK: ... also bibliophil war es ja nicht, es war rein faktische Information. Es gab z.B. bei Wesleyan University Press verschiedene Schriften von John Cage; oder in der University of Berkeley Press eine Serie von Filmgeschichten, z.B. von Lotte Eisner und anderen deutschen Expressionisten. Es gab also Präzedenzfälle, auf die ich mich beziehen konnte. Wir mussten das ja argumentativ vertreten.
(...)
UMB: Sie haben dann entsprechend der offenen Struktur, die in dieser Zeit in Halifax existierte, mit sehr unterschiedlichen Künstlern gearbeitet, mit Yvonne Rainer ebenso wie mit Claes Oldenburg, die einen völlig unterschiedlichen Background haben. Haben Sie diese Leute dort kennengelernt oder haben Sie sie dorthin geholt?
KK: Ich habe sie dorthin geholt. Ich habe sie direkt daraufhin angesprochen. Es gab eine Anzahl von Projekten, so z.B. auch eines mit La Monte Young, das dann nicht umgesetzt wurde, eines mit Steve Reich, das wir gemacht haben. Er war eine ganze Weile dort, ich habe das Material gesammelt, wir haben Manuskripte erstellt und dann an Ort und Stelle redigiert. Oder wir haben sie motiviert, dort zu arbeiten, zu schreiben. Dan Graham war ganz wichtig, nicht nur um den Kontakt zum Nova Scotia College herzustellen. Allerdings muss man auch sagen, dass die wirklich total offene, super-aktive Phase schon vorbei war. Die Attraktion des Colleges war enorm, weil es sich herumgesprochen hatte, dass es eher lebendig und offen war.
(...)
UMB: Ich habe bei der Durchsicht der Bücher festgestellt, dass sie sich zum Teil aufeinander beziehen, dass z.B. Dara Birnbaum, Dan Graham oder Michael Asher in ihren Publikationen Bezug nehmen auf die Arbeiten der anderen, dass sie also über das Publizieren hinaus auf die Arbeit untereinander Einfluss hatten, weil sie zum Teil zusammen dort waren und vielleicht auch konzentrierter miteinander arbeiten konnten. Das fand ich interessant, dass das direkt in den Büchern selbst auftaucht. Von Außen und mit dem zeitlichen Abstand hat man das Gefühl, da ist etwas in sehr konzentrierter und komprimierter Form passiert. (...) Es war für mich schon überraschend, welche Personenkonstellationen dort oben zusammenkamen.
KK: Man ist natürlich davon abhängig, welche Information zu einem bestimmten Zeitpunkt als zwingend erscheint, um sich mit ihr auseinanderzusetzen. Wenn sie dann nicht vorhanden ist, muss man sie verfügbar machen. Und zwar eben nicht nur für ein Seminar oder eine Arbeit an der Schule, sondern darüber hinaus. Eigentlich eine ganz selbstverständliche Tätigkeit. Ich denke, man muss aufpassen, das nicht über Gebühr zu stilisieren.
Das, was vielleicht ungewöhnlich war, ist – darauf habe ich immer bestanden –, dass es sich primär um Informationen handelt. Und auf dem Aspekt, wie man eine Form findet, die den komplexen Inhalten gerecht wird, wo das Buch sozusagen Vehikel ist.
UMB: Mich interessiert noch, wie die Bücher aufgenommen wurden, innerhalb der Kunstszene. War das für Amerika eine wichtige Sache, dass man in dieser Art und Weise publizieren konnte und nicht als Katalog o.ä.?
KK: Sie kommen ja eigentlich relativ trocken daher und lagen/liegen nicht unbedingt im Trend. Ich hatte schon eine ganze Anzahl von Büchern initiiert und herausgegeben, u.a. zusammen mit meinem Bruder, dem Buchhändler und Verleger, und auch anderen Stellen. Ich hatte damals das dicke Warhol-Buch in Stockholm gemacht, das ein Riesenerfolg war. 320.000 Exemplare haben wir verkauft. Das ging bis in die Diskotheken, das war eine wirkliche Fusion von Subkultur und populärer Kultur. (...)
Also es war ein ziemlich guter Austausch, von dem dann wiederum die Bibliothek des Colleges profitiert hat. Aber wir haben das nicht als Sensation verstanden. Im Nachhinein ist es eigentlich ein Indikator für eine enorme Offenheit, die in den 60er-Jahren entstanden war und die wieder verloren gegangen ist. Und die man jetzt unter ganz anderen Bedingungen wieder angeht.
Ich denke, gerade im Bereich Musik und Tanz war die Offenheit in Mitteleuropa – und da muss man sagen ganz stark in Holland, Deutschland und Italien – besonders groß. Alles was neu war, neue Inhalte und neue Formen zu bieten hatte, wurde unter dem Dach der zeitgenössischen Kunst offen wahrgenommen. Die Arbeit von Patricia Brown, Simone Forti und Yvonne Rainer wurde ja nicht im traditionellen Bereich des Balletts oder des Tanzes wahrgenommen.
(...)
UMB: Und Sie haben dann Benjamin Buchloh als ihren Nachfolger vorgeschlagen? (...) Hatte er damals schon Interfunktionen gemacht?
KK: Ja, Buchloh war mit Fritz Heubach [Initiator und Herausgeber der Zeitschrift Interfunktionen, BB] sehr befreundet und hat daran mitgearbeitet. Er hat auch einige Hefte herausgebracht.
UMB: Für mich war es interessant zu sehen, dass gerade auch mit Interfunktionen und anderen Künstlerzeitschriften der Zeit thematische und personelle Überschneidungen existierten. Dan Graham hat ja dann auch mit Heubach gearbeitet. Es fand also eine Vernetzung statt.
KK: Das ist ja auch außergewöhnlich. Insofern ist Dan Graham auch, zumindest was mich betrifft, der spiritus rector. Er hatte diesen Vorschlag gemacht, dass Nova Scotia mich einlädt. Ich habe dann eben die Präsentation, den Vortrag zu dem Thema, zu Publikationen gemacht, allerdings mit dem pragmatischen Hintergedanken, dass ich eben eine Heimat für so etwas suchte. Auch die Konstellation Tanz, Film, Aufführung usw. ... Dan hat ja immer eine unglaubliche Offenheit gehabt hat, sehr viele Querverbindungen hergestellt.
(...)
UMB: Ich finde, dass die Distribution, nicht nur im geografischen Sinne, sondern auch im zeitlichen Sinne wichtig ist. Gerade Unterschiede sind über diese Bücher zugänglich, die man damit auch als Quellenmaterial hat. Solche Bücher, die nah am Künstler sind, machen da für mich mehr Sinn, als wenn ich aus der kunsthistorischen Bearbeitung, aus der Distanz komme.
KK: Ja, z.B. bei Yvonne Rainer war diese Arbeitsweise nicht nur für mich ganz wichtig, denn auch sie hat dadurch bestimmte Dinge für sich geklärt und konnte sich danach ganz neuen Sachen widmen. Auch ihre Hinwendung zum Film, das reflektiert sie ja in diesem Band. Wenn man als Leser daran teilnehmen kann, dann ist das ein unglaublich dichter Prozess.
Vortragsnotizen – Plädoyer und Fundraising für eine neuartige Buchreihe: Königs Manuskript/ Notizen (undat. – Anfang der 1970er-Jahre)
Im Vorlass von Kasper König, der sich im Archiv des ZADIK in Köln befindet, habe ich handschriftliche Notizen zu dem von ihm im obigen Gespräch erwähnten Vortrag gefunden. Ich habe für diesen Zusammenhang hier einen Ausschnitt ausgewählt, in dem zwei Aspekte notiert sind, die mir für eine heutige Re-Konstruktion wichtig sind: die zeitgenössischen Kontexte einer Buchproduktion von Künstlern und die auch im Gespräch mit Ute Meta Bauer wiederholte Betonung des konzeptionellen Aspektes der ‚Information‘.
ZADIK – Kasper König – Akte ‚Künstlerbücher‘, Vortragsmanuskript (undat.), Signatur: G020_IX_010
Übertragung Dez. 2017/ BB
Im Kontext der Frage nach dem Buch als Archivmedium prozessualer und performativer Kunstformen finde ich drei Aspekte aus Gespräch und Manuskript-Notiz bemerkenswert:
die Auswahl der Künstler_innen, die auf einem informellen, die Bereiche bildende Kunst, Tanz, Musik, Film/ Fotografie verbindenden Netzwerk beruhte, es aber auch ermöglichte und unterstützte, sowie die mehrfach erwähnte Bedeutung Dan Grahams für dieses Netzwerk;
die Arbeitsweise, d.h. die gemeinsame Arbeit zwischen Künstler_innen und Herausgeber an den Büchern, die im Idealfall vor Ort, im College, stattfand;
eine Konzeption, die König und in den folgenden Zitaten auch Buchloh mit dem Begriff der ‚Information‘ belegt und deren wesentliches Merkmal – so verstehe ich es nach Durchsicht einiger der Bände – darin liegt, dass die künstlerischen Prozesse, die sich von Programmatiken und konzeptionellen Entwürfen über Notizen, Diagramme und Zeichnungen zu ihrer Realisierung bis hin zu Materialien über Aufführungen und Präsentationen entwickeln, transparent gemacht werden.
1976 beendete Kasper König seine Tätigkeit am Nova Scotia College und zog mit seiner Familie nach New York. Ab 1978 setzte Benjamin H. D. Buchloh die Herausgabe der Nova Scotia Series fort. Ein Band zur Geschichte des NSCAD [Kennedy 2012] enthält den Wiederabdruck eines Textes von Buchloh, den er bereits 1982 veröffentlichte und der sich zusammenfassend mit der „unvollständigen Geschichte und der Zukunft“ der Buchproduktion am College beschäftigt. Zu Beginn definiert er aus seiner diskursiven Perspektive den Begriff ‚aesthetic information‘ als konzeptionellen Ausgangspunkt der Publikationstätigkeit des Colleges:
Ab 1980 ergänzte Buchloh die Nova Scotia Series durch eine weitere Reihe unter dem Titel Nova Scotia Pamphlets. Am Ende seiner „unvollständigen Geschichte“ begründet Buchloh die Notwendigkeit einer veränderten Editionspolitik: „The more recent change of orientation in the editorial policy of the Press can be seen as a response to the broader changes that have occured in art practice and the growing understanding of its historical and social-political determinations.“ [Ebd.: 375]
Die folgende Liste versucht die Buchproduktionen, die unter den beiden Serientiteln erschienen sind, möglichst vollständig nachvollziehbar und mit einigen Materialien exemplarisch anschaulich zu machen (5). Die Kurztexte stammen ebenfalls von Benjamin H. D. Buchloh und sind 1982 zum ersten Mal veröffentlicht worden. Ich habe sie nur teilweise und exemplarisch übernommen. Sie sind in den Band The Last Art College [Kennedy 2012] übernommen worden. Da dieser nur die Zeit bis 1978 behandelt, sind auch die dort dokumentierten Bücher auf diesen Zeitraum begrenzt. (6)
The Nova Scotia Series. Source Materials of the Contemporary Arts
Bernhard Leitner. The Architecture of Ludwig Wittgenstein. Edited by Kasper König & Dennis Young. Halifax 1973.
Claes Oldenburg. Raw Notes. Edited by Kasper König. Halifax 1973.
Buchumschlag vorne und exemplarische Seiten aus Claes Oldenburg "Raw Notes"
(Cover Design: Jürgen Hoffmann, Claes Oldenburg photographed by Hans Hammarsköld
during the performance of MASSAGE. Zit. nach dem Impressum)
Yvonne Rainer. Work 1961-1973. Edited by Kasper König. Halifax 1974.
Work 1961-73 traces the development of a body of work from early solo dances to evening long dances for large groups (both of which were to prove extraordinarily influential), to a more recent work that investigates narrative, film, slide projections, spoken and projected texts and objects. [...] The story is told through various kinds of documentation: photos, scripts, facsimiles of notebook pages, concert programs, etc. Also included are theoretical analyses, commentaries, and reminiscences written at different points in her career (and from very different points of view). [Buchloh zit. nach Kennedy 2012: 245]
Buchumschlag vorne und exemplarische Seiten aus Yvonne Rainer "Works 1961-73"
Simone Forti. Handbook in Motion. Edited by Kasper König. Halifax 1974.
Simone Forti’s “dance constructions” were based on a concern with bodies in action, the movement not being stylized or presented for its visual line but rather as a physical fact. Her more recent dancing is centered on the harmonics of momentum and equilibrium. The artist traces the development of her work intuitively rather than chronologically, including narratives about a time of participation in the drug culture which sheds light on the changes in her dance. The book includes drawings, “dance reports” (short descriptions of events whose movement made a deep impression on the author’s memory), and documentary materials such as scores, descriptions, and photographic record of performances. [ebd.: 246]
Exemplarische Seiten aus Simone Forti "Handbook in Motion"
Steve Reich. Writings about Music. Edited by Kasper König. Halifax 1974.
Writings about Music is the first book by one of the most important and innovative composers working today. Steve Reich investigates the relation of Western composers to non-Western music, especially Balinese and African, and gives a musical analysis of some African music made during the composer’s visit to Ghana in 1970. He discusses the relation of music to dance both in our culture and in others and the development of his own music from the early tape pieces of the 1960s to the instrumental pieces of the 1970s, stressing his movement away from electronics und towards live music. The book is fully illustrated with musical examples and photographs. It includes a list of works, important performances, and recordings. [ebd.: 248]
Buchumschlag vorne und exemplarische Seiten aus Steve Reich "Writings about Music"
(Cover: Steve Reich and Musicians performing Four Organs photographed by Peter Moore. Zit. nach dem Impressum)
Hans Haacke. Framing and Being Framed. Edited by Kasper König. Halifax 1975.
Hans Haacke, the by now well-renowned conceptual artist who instigated a lively debate on the political limitations of artistic activity when his work was censored from an exhibition at the Guggenheim Museum, employs information-gathering and research methods previously not associated with fine arts. He is challenging the notion of autonomy of art by making the social context of art practice the subject matter of his work. Framing and Being Framed features seven works of Haacke in facsimile produced from 1970 to the present, among them the famous Manet-Projekt ‘74 piece that was banned from a museum show in Germany in 1974. The book provides the reader with an understanding of the complexity and the political implications of art production and the art reception network. [ebd.: 281]
Buchumschlag vorne und exemplarische Seiten aus Hans Haacke "Framing and Being Framed".
Donald Judd. Complete Writings 1959-1975. Edited by Kasper König. Halifax 1975.
Michael Snow. Cover to Cover. Edited by Kasper König. Halifax 1975.
Michael Snow, one of the most relevant artist-filmmakers to evolve in the ‘60s, conceived Cover to Cover as an original work in book form. The book is totally photographic. The methodology employed is that the other side of the page is always the other side: if one side shows a face, the other side shows the back of the head. This was accomplished with two cameras which recorded simultaneously from the same distance but from diametrically opposed angles, Cover to Cover. The two-sidedness often consists of both inside and outside spaces. Sequences leading into each other are of varying length and are part of a larger ‘narrative’ which, along with its method is basic to Cover to Cover. [ebd.: 282] (7)
Paul Emile Borduas. Ecrits / Writings. Edited by Francois Marc Gargnon & Benjamin H. D. Buchloh. Halifax 1978.
Dan Graham. Video – Architecture – Television. Edited by Benjamin H. D. Buchloh. Halifax 1979.
Buchumschlag vorne und exemplarische Seiten aus Dan Graham "Video - Architecture - Television" (Cover illustration showing Dan Graham's installation of "Mirror - Window - Corner Piece" at Galerie Vega, Liège May 1976. Photograph by Nocile Forsbach. Zit. nach dem Impressum)
Carl André/Hollis Frampton. 12 Dialogues 1962-1963. Edited by Benjamin H. D. Buchloh. Halifax 1980.
Daniel Buren. Les Couleurs – Sculptures. Edited by Benjamin H. D. Buchloh & Musée d’art moderne Paris. Halifax 1981.
Michael Asher. Writings 1973-1983 on Works 1969-1979. Edited by Benjamin H. D. Buchloh & Museum of Contemporary Art Los Angeles. Halifax 1983.
Allan Sekula. Photography against the grain. Edited by Benjamin H. D. Buchloh & University Galleries Columbus, Ohio State University. Halifax 1984.
Lawrence Weiner. Posters November 1965 to April 1986. Edited by Benjamin H. D. Buchloh. Halifax 1986.
The Nova Scotia Pamphlets (edited by Benjamin H. D. Buchloh)
Gerhard Richter. 128 Details from a Picture, Halifax 1978. Halifax 1980.
Martha Rosler. Three Works. Halifax 1981.
Jenny Holzer. Truisms and Essays. Halifax 1983.
Dara Birnbaum. Rough Edits: Popular Image Video. Works 1977-1980. Halifax 1987.
Da dieser Beitrag vor allem die Publikationstätigkeit von König und Buchloh im Kontext des Nova Scotia College of Art & Design präsentiert und deren spezifisches Verständnis von Künstlerpublikationen als „source materials" thematisieren will, möchte ich abschließend auf einige wenige Initiativen und kontextualisierende Überlegungen hinweisen.
Seth Siegelaub – von König in seinem Vortragsmanuskript erwähnt – ist eine wichtige Figur für die Etablierung einer spezifischen Buchproduktion als und mit künstlerischen Arbeiten. Seine kuratorische und herausgeberische Tätigkeit des „book as exhibition" sei hier nur erwähnt, sie ist anderweitig dokumentiert, beschrieben und analysiert worden [Pichler 2016; Ehleiter 2018].
Im Zusammenhang mit Buchloh wurde bereits die Zeitschrift Interfunktionen erwähnt, die 1968 – angestoßen durch Proteste von Künstlern gegen die Politik der documenta 4 – von Fritz Heubach in Köln gegründet wurde. Sie erschien bis 1975 und die letzten Ausgaben wurden von Buchloh herausgegeben. Auch für Heubach galt als zentrale konzeptionelle Idee, dass die Künstler – mehrheitlich aus dem Feld prozessualer Kunstformen von Happening & Fluxus, Performance und Konzeptkunst stammend – ihre Beiträge selbst gestalten oder ihre Vorstellung über die Gestaltung äußern sollten [Dogramaci 2012: 68-69].
Dass Künstler_innen sich in den 1960er- und 1970erJahren extensiv in Buch- und Zeitschriftenpublikationen verwickeln ließen, dass Herausgeber diese Involvierung als Konzept für ihre Publikationen formulierten, basiert auf veränderten Arbeitsweisen und auf der Veränderung des Werkverständnisses, aber auch auf Ideen von Demokratisierung und Zugänglichkeit. Die Kuratorin und Kunsttheoretikerin Lucy Lippard – vor allem bekannt für ihr Buch The Dematerialization of the Art Object [Lippard 1973] – resümierte in einem 1977 veröffentlichten Text die Entwicklung:
Lippard hat zusammen mit Sol LeWitt und anderen 1976 Printed Matter, Inc. gegründet, eine heute noch existierende „non-profit organization dedicated to the dissemination, understanding and appreciation of artists’ books and related publications“ (9). Auf eine weitere Distribution und Plattform, die sich Künstlerbüchern und deren Geschichte seit den 1960er-Jahren widmet, stößt man, wenn man nach Informationen zur Arbeit von Siegelaub sucht: Primary Information wurde 2006 gegründet, um den „intergenerational dialogue through the publication of artists’ books and writings by artists“ herzustellen und zu fördern (10). Beide Initiativen seien stellvertretend genannt – sie demonstrieren auch das im letzten Jahrzehnt wieder entstandene (oder auch: regelmäßig wieder entstehende) Interesse an der Verbindung von Kunst und Buch jenseits des Ausstellungskatalogs oder Werkverzeichnisses.
Aber es ist auch nicht das Buch als Kunstobjekt und damit als neuerlich auf dem Kunstmarkt handelbare Preziose, die die hier vorgestellten konzeptionellen Überlegungen und editorischen Praktiken motiviert. In Konzepten, Handlungsanweisungen, Zeichnungen und Diagrammen ebenso wie in Dokumenten von Realisierungs- und Aufführungsformaten werden Stadien prozessueller und performativer Arbeiten sichtbar gemacht. Informationen eben – um nochmals auf den Begriff zurückzukommen – im damaligen Verständnis, über deren Auswahl und Präsentation die Künstler_innen selbst entschieden, die immer aber als Materialien eines fortlaufenden Arbeitsprozesses verstanden wurden und zu verstehen sind.
Interessant in diesem Kontext ist einerseits die Tatsache, dass die Nr. 11 der Zeitschrift Interfunktionen, 1974 von Buchloh herausgegeben, einen thematischen Schwerpunkt zum Buch als Medium der Kunst setzte und u.a. mit Das Buch als Kunstform. 1960-1970, die deutsche Übersetzung eines Textes des italienischen Kunsthistorikers Germano Celant veröffentlichte. Celant verwendet gegen Ende dieses Textes eine wiederum spezifisch diskursiv kontextualisierte Idee von ‚Information‘:
Die Übermittlung von (künstlerischen) Ideen in schriftsprachlicher Form ohne besondere Betonung einer visuellen ästhetischen Gestalt(ung) wird als ‚Information‘ beschrieben und damit u.a. eine Verschiebung hin zu alltagskompatiblen Kommunikationsformen und Präsentationsmöglichkeiten annonciert, zu denen eben das preiswert zugängliche Buch gehörte. Ebenso aber rückt der Begriff in den Diskursen und Ausstellungspraktiken der 1970er-Jahre als ‚information processing' die Arbeit an der Kunst in direkte Nähe zu zeitgenössischen Technologien und medialen Formaten [Burnham 1969; Information 1970]. In der Vermittlung von Buch und Kunst erscheint mir dieser Sonderfall, der zwar auch die Idee der Dokumentation und der Archivbildung umfasst, aber gleichzeitig die Teilhabe der Künstler_innen an dieser Arbeit als Teil deren performativer Prozesse versteht, als durchaus wieder re-animierbar.
Literatur