Heldentod und Bruchlandung

Meiro Koizumi inszeniert in der Videoinstallation „Where the Silence Fails“ einen überlebenden Kamikaze-Piloten im Dialog mit der Vergangenheit

Ulrike Krautheim (Tokio)

 

 

 

Die Bedingungen für den Vollzug der tödlichen Mission könnten nicht besser sein. Bereits im Morgengrauen sieht der 19-jährige Kamikaze-Flieger Tadamasa Itazu, wie sich die Silhouette des Mondes scharf im Baumgeäst abzeichnet und ahnt, dass ein strahlend sonniger Tag bevorsteht, also ideale Wetterbedingungen für seinen ersten und letzten Einsatz als Pilot der japanischen Luftwaffe. In Meiro Koizumis Videoarbeit Where the Silence Fails (Double Projection #1), die im Jahr 2013 entstand, wird der Betrachter zunächst mit einem Zeugenbericht aus der letzten Phase des Pazifischen Kriegs konfrontiert, der provozierend affirmativ daherkommt. Der inzwischen weit über 80-jährige ehemalige Kamikaze-Pilot Itazu berichtet über seinen Einsatz in einer Weise, die ganz und gar aus der ideologischen Gedankenwelt Japans im Zweiten Weltkrieg gespeist ist.

 

Installationsansicht, Arts Maebashi, Japan, Foto: Shinya Kigure

 

Im Jahr 1940 waren alle politischen Parteien aufgelöst worden, die Regierungsgeschäfte hatte eine vom Militär gelenkte faschistische Einheitspartei inne, die Japans aggressive Expansionspolitik mit einem ultranationalistischen Wertekanon untermauerte.

Als ich 1945 hörte, dass Selbstmord-Angriffstruppen gebildet werden sollten, habe ich mich umgehend und ohne Zögern freiwillig gemeldet. [...] Nach dem Start des Einsatzes flog unser Geschwader auf den ‚Kaimondake‘ zu, einem Gipfel, der sich inmitten der Berglandschaft dieser Gegend besonders stattlich erhebt. Ich glaubte, dass dies die letzte Aussicht auf mein Heimatland wäre, die ich zu sehen bekäme. Und ich hatte den Eindruck, der Berg würde mir zurufen: Bringe Deine Mission ordentlich zu Ende.

Genau diese Erfüllung seines Auftrages bleibt Itazu schließlich aber verwehrt. Wegen eines Motorschadens an seinem Flugzeug erhält er als einziger aus seinem Bataillon Befehl, unverrichteter Dinge zum Heimatflughafen zurückzukehren und stürzt schließlich nach einem Ausfall des Motors seiner Maschine auf einer Insel ab, überlebt jedoch den Einsatz. Das Misslingen seiner Mission und sein Überleben beschreibt Itazu als Quell tiefer Scham und unsagbaren Schmerzes. Das Schuldgefühl gegenüber seinem Kameraden und engen Freund Ashida, der die Mission erfolgreich zu Ende brachte, lässt Itazu sein Leben lang nicht mehr los. Unmittelbar nach Kriegsende sucht er Ashidas Eltern auf, um bei ihnen um Vergebung für sein eigenes Scheitern und Weiterleben zu bitten. Wieder und wieder formuliert er bei dieser Begegnung seine an Ashida und dessen Familie gerichtete Entschuldigung, so lange, bis ihm die Stimme erstirbt. Doch auch dieses inständige Bitten um Vergebung führt nicht dazu, dass Itazu sich dauerhaft aus der gedanklichen Verflechtung von Schande und Sühne befreien kann, die sein Leben seit dem unvollendeten Kamikaze-Einsatz bestimmt.

 

© Meiro Koizumi

 

Der Einstieg, den Koizumi für seine Videoarbeit wählt, erscheint dem Betrachter auf den ersten Blick vertraut, ein Zeitzeugen-Gespräch, bei dem sich Itazu an Stationen seiner Kamikaze-Mission von seiner freiwilligen Meldung bis zum Tag des Einsatzes erinnert. In den Schilderungen des hochbetagten Kriegsveteranen ist das ideologische Umfeld des Zweiten Weltkrieges in so lupenreiner Form präsent, dass man als Betrachter zwischen Widerwillen und Faszination hin- und hergerissen ist. Menschliche Regungen wie Zweifel, Todesangst, kreatürlicher Überlebenswille, Trotz und Aggression, die man auf der Kehrseite dieses verordneten Heldentodes vermuten würde, sind in Itazus Schilderung komplett ausgeblendet, getilgt. Hat die politische Ideologie in Japan während des Zweiten Weltkrieges es tatsächlich vermocht, die Gemüter ihrer Jugendlichen so vollständig zu durchdringen, dass die elementarsten menschlichen Instinkte wie Todesangst und Überlebenswille außer Kraft gesetzt wurden? Oder ist Itazu ein „Unbelehrbarer“, der seine 67 Jahre zurückliegende Erfahrung als Kamikaze-Flieger in einer Vitrine des Erhabenen konserviert und damit von einer kritischen Reflexion abkoppelt?

Auf den zweiten Blick erscheint Koizumis ‚dokumentarischer‘ Zugriff auf die Figur des Itazu jedoch brüchiger als zunächst wahrgenommen. Itazus Erzählung beginnt mit den Worten: „Hier ist ein Foto von Ashida und den anderen fünf Mitgliedern der Kamikaze-Einsatztruppe“. Doch genau dieses Foto, das sich wie ein roter Faden durch mehrere Situationen der gesamten Videoinstallation zieht, wird dem Betrachter schlussendlich vorenthalten. Das Dokument als Mittler des „Faktischen“ wird zwar kontinuierlich thematisiert und adressiert, entfaltet aber zu keinem Zeitpunkt eine Relevanz als Bindeglied der Äußerungen Itazus zu einer ‚objektiv‘ wahrnehmbaren Realität. Vielmehr ist seine Präsenz vergleichbar mit den Devotionalien in einem japanischen Shinto-Schrein, die zwar in den Räumlichkeiten des Schreins aufbewahrt werden und Gegenstand der Anbetung sind, dem Auge der Besucher aber nicht zugänglich gemacht werden, sondern nur auf metaphysischer Ebene erfahrbar sind. Weiterhin destabilisiert Koizumi die Darstellung Itazus mit teilweise sekundenlangen Schwarzsequenzen, die zwischen die Repliken des ehemaligen Piloten geschnitten sind. Sie rhythmisieren Itazus Erzählung und akzentuieren zugleich den Vorgang des Schneidens, sprich: der Auslassung, und generieren dabei eine Art Verbildlichung von etwas Unausgesprochenem, Geisterhaftem. Mit diesem Leerraum, den die Schwarzsequenzen um die Äußerungen Itazus entsehen lassen, korrespondiert die Perspektive, aus der Koizumi den Piloten ins Bild setzt. Der seitliche Kamerablick schirmt Itazu vor der direkten Konfrontation mit dem Betrachter ab. Anstatt eine Gesprächskonstellation von Angesicht zu Angesicht zu wählen, lässt Koizumi Itazu ins Leere sprechen, zu einem nicht anwesenden Gegenüber. Da Itazu beim Sprechen häufig nach unten blickt, vermittelt er den Eindruck, in einer hermetischen Sphäre zu kommunizieren, die für Außenstehende nur bedingt zugänglich ist.

In das ausgedehnte Schweigen und ein langes Black nach der Schilderung von Itazus Besuch bei Ashidas Eltern bricht unvermittelt die Stimme eines Regisseurs ein. „Bitte sprechen Sie nun fünf Minuten lang zu Ashida“. Im gleichen erscheint im linken Drittel des Screens ein japanisches Landschaftsaquarell, das eine Bergkette zeigt. Durch die Überblendung lässt Koizumi einen dreigeteilten Screen, eine Art Triptychon-Struktur, entstehen: Ganz links sieht man allein das Landschaftsbild, in der Mitte überlagert das Gemälde den Innenraum von Itazus Haus, und rechts sieht man nur Itazus Wohnzimmer, ohne Überblendung durch die Bergsilhouette. Handelt es sich um den Kaimondake, den Berg, dem Itazu das Versprechen schuldig geblieben ist, seine Mission zu erfüllen?

 

© Meiro Koizumi

 

Das Gemälde ist so projiziert, dass es gleichsam in Itazus Wohnzimmer einzumünden scheint. Fordert der Berg nun den Tribut, der ihm vor 67 Jahren nicht gezollt wurde? Mit dem Eindringen der Regie in den Gesprächsverlauf und der Einblendung der Berglandschaft geraten abrupt alle Annahmen, die der Betrachter am Beginn des Films gemacht hat, ins Wanken. In einem einzigen Moment wird Itazu vom Erzähler-Subjekt zum Objekt in einem vordefinierten Setting, zum Akteur in einer Inszenierung, die den Intentionen eines unsichtbaren, anonym bleibenden Spielleiters folgt. Die ‚Authentizität‘, die man Itazu und seinen existenziellen Kriegserfahrungen auf der Scheide zwischen Leben und Tod im ersten Teil des Videos zugesprochen hatte, wird zwar nicht komplett untergraben, aber in den Bezugsrahmen einer intentionalen Lenkung durch das Subjekt des Regisseurs gestellt. Diese Inszenierung zielt auf die Erteilung der Absolution an Itazu durch den verstorbenen Kameraden Ashida, auf nicht weniger als die Erlösung Itazus von seinem lebensbegleitenden Trauma, seinen engsten Freund durch das eigene Überleben verraten zu haben.

Der Anweisung des Regisseurs entsprechend wendet sich Itazu an Ashida. Er formuliert seinen Schmerz darüber, dass er selbst nach intensiver Suche keinen Abschiedsbrief von Ashida in dessen Nachlass finden konnte. Um den Geist Ashidas heraufzubeschwören, richtet er seine Worte an das zu Beginn des Films erwähnte Foto der Kamikaze-Einsatztruppe, wiederum ohne dass der Betrachter das Foto tatsächlich zu sehen bekäme. Während der Ansprache an Ashida wechselt Itazus Position zwischen der rechten und mittleren Bildhälfte, demzufolge auch zwischen dem Bildabschnitt mit und ohne Überblendung durch das japanische Landschaftsbild. So entsteht der Eindruck, dass er sich in einer Art mehrschichtigem Raum befindet, dessen verschiedene Sphären stärker oder schwächer von der Silhouette des Kaimondake überlagert sind. Ein metaphysischer Raum zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Diesseits und Jenseits? „Es ist nun 67 Jahre her, dass wir gemeinsam von Chiran aus zu unserer Mission aufgebrochen sind. Was haben wir dabei empfunden? Wir haben es für unser Land getan.“ In dem Augenblick, als dieser Satz Itazus fällt, verschwindet die Gestalt des ehemaligen Piloten auf einmal komplett, die rechte Bildhälfte wird schwarz und auf der linken Seite des Screens bleibt allein das Landschaftsaquarell mit seiner pittoresken Bergsilhouette stehen.

„Bitte sprechen Sie nun fünf Minuten lang zu Ashida“. Wiederum ertönt die Stimme des Regisseurs. Wo wir den Beginn eines neuen Takes der Szene von eben vermuten, nimmt eine unerwartete Wendung ihren Lauf. Wir sind zunächst konsterniert, als Itazus Ansprache an das abwesende Gegenüber plötzlich Widerhall findet. „Bist Du es, Itazu?“ – eine Séance mit filmischen Mitteln. Itazu wiederholt denselben Text, den er bereits in der Szene vorher gesprochen hat, nur sind nun zwischen seine Repliken Antworten von Ashida hineingeschnitten, wiederum gesprochen von Itazu selbst. Nach wenigen Sekunden ist die Totenbeschwörung auch im Bild vollzogen. In der linken Bildhälfte des dreigeteilten Screens erscheint Itazu mit Fliegerbrille, in der Rolle seines gefallenen Kameraden Ashida. Wir haben es hier im wahrsten Sinne des Wortes mit einer filmischen Reunion zu tun, die sich in einem Zwischenreich von Leben und Tod abspielt.

 

 

© Meiro Koizumi

 

Allerdings gewinnt dieses Setting durch die Tatsache, dass beide Rollen von derselben Person gespielt werden, eine paradoxe Komponente, die fast humoristisch wirken könnte. Jedoch ist hier die Faszination gegenüber der Schwere von Itazus Kriegserfahrung und der Bürde, die er in deren Folge getragen hat, stärker als der Impuls des Lachens, der ja auch Distanzierung und Befreiung von dem psychischen und ideologischen Kosmos, der hier entfaltet wird, bedeuten könnte. Doch die Aura der Authentizität, die den hochbetagten und damit auch verletzlich wirkenden Ex-Piloten umgibt, ist dominanter als die komische Komponente der Sprechsituation – man ist tief in Bann gezogen von Itazus gedanklichem Universum und dessen Kreisen um Schuld und Vergebung. Mit dem Fortschreiten des ‚Dialogs‘, in dem Itazu die Mission nochmals als unerlässlich zur Verteidigung des eigenen Landes und der geliebten Familie beschreibt, nähern sich die Köpfe der beiden Sprecher immer weiter an und werden schließlich im mittleren Drittel des Bildes übereinander projiziert, so dass die beiden Figuren fast miteinander zu verschmelzen scheinen.

 

© Meiro Koizumi

 

Wir bewegen uns nun auf die Klimax der Inszenierung zu, dem Erteilen der Absolution an Itazu durch Ashida (gespielt von Itazu). Die Präsenz des Regisseurs wird in diesem Moment des filmischen Höhepunkts noch stärker akzentuiert. „Bitte sagen Sie nun (zu Itazu): Es ist gut, dass Du überlebt hast. Noch einmal, mit mehr Gefühl bitte.“ Itazu in der Rolle von Ashida folgt der Anweisung des Regisseurs und wiederholt den Schlüsselsatz mehrere Male. „Es ist gut, dass Du überlebt hast. Ich danke Dir dafür.“ Nachdem der befreiende Satz ausgesprochen ist, verharrt die Kamera schweigend auf den Köpfen der beiden Darsteller, Ashida in der linken Bildhälfte und Itazu in der rechten Bildhälfte. Danach hört man die Stimme des Regisseurs, der sich bei den beiden Mitwirkenden bedankt, die wiederum als Ausdruck ihres Respekts vor dem Regisseur eine kurze Verbeugung in dessen Richtung machen. Eine Verbeugung, die durch die Bildaufteilung zugleich auch zu einer Verbeugung der beiden Akteure voreinander gerät, dem lebendigen und dem toten Kamikaze-Flieger. In der letzten Einstellung des Films verschwindet die Projektion des Landschaftsbildes, der lebende Itazu bleibt allein in der rechten Bildhälfte zurück, der Bildabschnitt, in dem eben noch Ashida zu sehen war, ist wieder schwarz, leerer Raum.

Tadamasu Itazu ist zu der Zeit, als Meiro Koizumis Arbeit entstand, der letzte noch lebende Kamikaze-Pilot. Seine Person verkörpert damit in zugespitzter Form einen Erfahrungsschatz, der in naher Zukunft nicht mehr durch persönliche Zeugenschaft belegbar sein wird, sondern in die Sphäre der kollektiven Imagination übergehen wird. Itazu repräsentiert also ein kaum zu steigerndes Maß eines Authentizitätsversprechens, dessen zeitliche Begrenzung durch sein hohes Alter aber schon impliziert ist. Es charakterisiert diese Arbeit im Kern, dass die ‚authentische Erfahrung‘ Itazus hier aber nicht dazu eingesetzt wird, eine differenzierte und kritische Perspektive auf die bis heute ideologisch höchst überfrachtete militärische Strategie des Kamikaze zu entwickeln, sondern dass der Film vielmehr das Verlangen nach einer kathartischen Versöhnung der Lebenden und der Toten thematisiert und deren Vollzug filmisch durchexerziert. Itazus ungelöster Schuldkomplex gegenüber dem verstorbenen Kameraden Ashida wird zum Spielmaterial einer Inszenierung, die auf die Bedürfnisse eines anonym bleibenden Publikums zugeschnitten ist und den Anweisungen eines nicht näher bestimmbaren, allein durch seine Stimme präsenten Regisseurs folgt. Denn der Dialog Itazus mit dem gefallenen Ashida realisiert sich ja erst in der filmischen Montage, ist also für den Performer Itazu, der die Rollen der beiden Dialogpartner bei den Filmaufnahmen zeitlich versetzt spielen muss, in seinem Vollzug gar nicht erlebbar. In diesem Sinne macht Koizumis Videoinstallation sichtbar, wie das Medium Film eingesetzt wird, um Itazus nicht aufgearbeitetes Kriegstrauma in eine bildliche Form zu transformieren, die scheinbar Itazus Bedürfnis nach Absolution befriedigt, implizit aber ein Wunschdenken des Betrachters bedient. Durch die unvermittelte Intervention des Regisseurs wird die Authentizität der Erfahrung, die man Itazu in der Anfangssequenz des Films zuschreibt, in eine Sphäre der intentionalen Inszenierung und Fremdbestimmung überführt. Diese Inszenierung stellt Itazu in seiner Doppelrolle in eine genauso absurde wie zugleich verstörende Konstellation der Verdopplung des eigenen Selbst, eine Art Echokammer, die einen autonome, gegenüber Stimmen von außen hermetisch abgeschlossene Sphäre entstehen lässt. Die ‚Doppelprojektion‘, die dieser Videoinstallation ihren Titel gibt, beschreibt in diesem Sinne nicht nur die Technik der filmischen Montage, die es ermöglicht, die beiden Kamikaze-Flieger bildlich in einen Dialog miteinander treten zu lassen, sondern auch eine psychisch geartete Mehrfachprojektion fremder Gedanken und Bedürfnisse auf den toten Ashida. Dieser kann seine eigene Perspektive nicht mehr formulieren und wird daher zur multiplen Projektionsfläche für die Wunschvorstellungen aller Beteiligten, der Itazus, der des Regisseurs und der des Betrachters. Der Film inszeniert eine Art Ritual der Aussöhnung mit der Vergangenheit, die in hohem Grade manipuliert ist, zugleich aber durch die Aura der Authentizität, die Itazu aufgrund der Drastik seiner realen Kriegserlebnisse unweigerlich anhaftet, für den Betrachter eine ungeheure Überzeugungskraft und Faszination entfaltet.

Es ist vermutlich kein Zufall, dass das Entstehungsjahr von Koizumis Arbeit mit dem Kinostart des Spielfilms The Eternal Zero (2013) von Takashi Yamazaki zusammenfällt. Der an den japanischen Kinokassen höchst erfolgreiche Film zeichnet das Bild eines Kamikaze-Piloten, der aus Liebe und Pflichtbewusstsein gegenüber seiner Familie zunächst alles daran setzt, die Flugeinsätze zu überleben, zum Schluss aber seine „Feigheit“ überwindet und mit Ruhe und Gelassenheit in den Heldentod geht.

 

 

Spezifisch an diesem Kinofilm ist, dass er seinen Zugriff auf das Kamikaze-Thema über die Generation der Enkel vermittelt. Der Aufhänger für die Erzählung der Geschichte des wankelmütigen Kamikaze-Piloten Miyabe in The Eternal Zero ist, dass dessen Enkel Kentaro geplagt von Zukunftsängsten und Zweifeln beginnt, Recherchen über das Leben seines Großvaters anzustellen. Man vermutet hinter dieser Fokussierung auf die Generation der Zwanzig- bis Dreißigjährigen die Zielsetzung, der heutigen Jugend auf diese Weise ‚alte japanische Tugenden‘ attraktiv zu präsentieren. Einen Höhepunkt des Films bildet die Szene, wie Kamikaze-Pilot Miyabe mit seinem Flugzeug des Typs ‚Zero‘ durch die heutige Stadtlandschaft Tokyos fliegt und sein Enkel Kentaro ihm in emotionaler Aufwühlung zuschluchzt, ein überaus direktes Bild für den Transfer japanischer Wertvorstellungen aus dem Zweiten Weltkrieg in die Gegenwart. Der Film erfuhr zum Zeitpunkt seines Kinostarts starken Zuspruch durch konservative japanische Politiker, löste aber große Irritationen und Widerstand insbesondere bei den Nachbarländern Korea und China aus.

Meiro Koizumi spielt in dieser Videoinstallation exemplarisch durch, wie ein Schweigen, die Sphäre von etwas Unformuliertem, Unheimlichem, das die Schwarzsequenzen um Itazus Äußerungen im ersten Teil des Films aufreißen, unversehens umkippt in eine Inszenierung, die an ein kollektives Bedürfnis nach Absolution appelliert. Die Erteilung einer solchen Absolution wird aber nur dann möglich, wenn man Itazus Logik von Schuld und Vergebung, die sich ganz aus der politischen Ideologie Japans im Zweiten Weltkrieg nährt, affirmativ folgt. Es ist kein Geheimnis, dass in Japan eine öffentliche Debatte über die eigene Beteiligung am Pazifischen Krieg und eine Analyse der Bedingungen, die zum Kriegseintritt führten, nur in sehr begrenztem Umfang stattgefunden hat. Where the Silence Fails. Diejenigen, die den Krieg tatsächlich erlebt haben, sind nun in Itazus Alter und verschwinden zunehmend aus dem Blickfeld der Diskussion. Koizumis Arbeit demonstriert auf emotional bestrickende und zugleich provozierende Weise, wie das über lange Jahre hinweg Unausgesprochene sich nun seinen Weg in die Sphäre des Imaginativen bahnt.

 

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