Games: Jeux. Sergei Tcherepnin trifft auf Vaslav Nijinsky

Zur künstlerischen Modellierung des Gegenwartsmenschen

Nicole Haitzinger (Salzburg)

 

 

 

Waren künstlerische Familiendynastien in der europäischen wie auch russischen Geschichte bis ins späte 19. Jahrhundert weit verbreitet, so reißt der Faden dieser Art von Erbfolge in der westlichen Moderne des 20. Jahrhunderts ab. Die Einladung an Sergei Tcherepnin im Kontext der Ausstellung Kunst – Musik – Tanz. Staging the Derra de Moroda Dance Archives (19. März bis 3. Juli 2016)[1] im Museum der Moderne Salzburg erfolgte im Jahr 2015 aufgrund von Tcherepnins Profilierung als experimenteller Sound-Künstler. Der Name klang vertraut, doch erst als die Recherche des in New York lebenden Künstlers im Salzburger Archiv stattfand, wurde im Dialog eine dynastische Verflechtung offenkundig: Sergeis Urgroßvater war der russische Komponist Nikolai Tcherepnin, der beispielsweise das Ballett Pavillon d’Armide in der ersten Saison der Ballets Russes (1909) musikalisch verantwortete. Sergei Tcherepnin, Zufall oder nicht, faszinierten in den Derra de Moroda Dance Archives vom ersten Moment an die Bestände zu den Ballets Russes, die er autobiographisch wie künstlerisch erkundete. Mit dem Tänzer und Choreografen Vaslav Nijinsky entdeckte Sergei eine, wenn nicht unmittelbar familiäre, so doch spezifische künstlerische Verwandtschaft. Die in Konzept und Erscheinung maßgeblich von Nijinsky verantwortete und im Zeitkontext gescheiterte Inszenierung Jeux (1913) wird zum Flucht- und Referenzpunkt der performativen Installation Games (2016). Im Sinne von ‚anders, doch verwandt‘ widmen sich die folgenden Überlegungen den Ähnlichkeiten und Unterschieden dieser beiden künstlerischen Arbeiten mit spezifischer Perspektive, nämlich der jeweiligen Modellierung des modernen beziehungsweise zeitgenössischen Menschen.

 

Jeux (1913): Auftritt des „homme moderne“

Die Inszenierung Jeux (1913) ist nach ihrer im historischen Kontext gescheiterten, da dem Pariser Publikum missfallenden Premiere bis weit ins 20. Jahrhundert hauptsächlich über den als skandalös interpretierten Auftritt des Eros verhandelt worden. [Vgl. Haitzinger 2015: 113] Erstaufgeführt im Pariser Théâtre des Champs-Élysées im Kontext der vierten Saison der Ballets Russes hatte man ein zeitgeistiges und modernistisches Ballett in Szene gesetzt.[2] Diaghilew und Bakst unterstützten Nijinsky bei der Verschriftung des Szenarios, das nach L’Après-midi d’un faun (1912) das zweite in Struktur und Erscheinungsform von ihm verantwortete Ballett gewesen ist:

Dans un parc au crépuscule, une balle de tennis s’est égarée ; un jeune homme, puis deux jeunes filles s’empressent à la rechercher. La lumière artificielle des grands lampadaires électriques qui répand autour d’eux une lueur fantastique leur donne l’idée de jeux enfantins ; on se cherche, on se perd, on se poursuit, on se querelle, on se boude sans raison ; la nuit est tiède, le ciel baigné de douces clartés, on s’embrasse. Mais le charme est rompu par une autre balle de tennis jetée par on ne sait quelle main malicieuse. Surpris et effrayés, le jeune homme et les deux jeunes filles disparaissent dans les profondeurs du parc nocturne. [L’Excelsior, 15.05.1913]

In einem (von Léon Bakst gestalteten) nächtlichen Park einer Metropole, beleuchtet mit künstlichem Licht, treffen sich drei Figuren, ein junger Mann und zwei Mädchen, zum Tennis. Die choreographische Abstrahierung des Spiels (Laufen, Springen, Gehen mit markierten Blickrichtungen) erfährt eine jeweils temporäre Aufladung mit dramaturgisch gesetztem unverbindlichem Gefühlsausdruck (Freude, Eifersucht, Küsse, Angst, Verwirrung, Scham, Koketterie).[3] Durch diese Verknüpfung stellt sich die ästhetische Wahrnehmung einer ménage à trois ein. Unzweifelhaft thematisiert Jeux queere[4], und tradierten heteronormativen Konventionen gegenläufige Identitäten in den europäischen Metropolen der Zeit. Männlichkeit/Weiblichkeit wird als Plural inszeniert.[5] Nijinsky spricht später in seinen während der Kriegsjahre verfassten Tagebuchaufzeichnungen von einem Ballett, in dem die „Lust dreier junger Menschen“ zu sehen ist: „Faun, das bin ich, und Jeux ist das Leben, von dem Djagilew [sic] geträumt hat. Djagilew wollte zwei Knaben gleichzeitig lieben, und diese Knaben sollten ihn lieben. […] Ich habe diese Figuren absichtlich maskiert […].“ [Nijinsky 1996: 253–254]

Zugleich profilierte und konturierte Nijinsky jenseits dieses Auftritts des Eros l’homme moderne, den modernen Menschen, und dies scheint in der Rezeption vernachlässigt.[6] In einem Interview mit Hector Cahusac, veröffentlicht in Le Figaro (14.5.1913), artikulierte Nijinsky sein Konzept und seine Vision:

L’homme que je vois avant tout autre sur la scène, dit-il, c’est l’homme moderne. Je rêve d’un costume, d’un plastique, d’un mouvement qui serait caractéristique de notre temps. Il y a sûrement dans le corps humain des éléments qui soient significatifs de l’époque où il s’exprime. Lorsqu’on voit aujourd’hui un homme se promener, lire un journal ou danser le tango, on n’aperçoit rien de commun entre ses gestes et ceux, par exemple, d’un flâneur sous Louis XV, d’un gentilhomme courant le menuet, ou d’un moine lisant studieusement un manuscrit au treizième siècle. [Cahusac 1913]

Der moderne Mensch ist entleert von großem Pathos, er wird als Mensch ohne Eigenschaften – hier sei der Titel des Romans von Robert Musil adaptiert – präsentiert, der spaziert, Zeitung liest oder Tango tanzt und dies alles zeitgemäß im Sinne von Mode, skulpturaler Körperlichkeit und Bewegung. Seine Modellierung ist grundiert von der Verflechtung dreier Aspekte: erstens die spezifische kontrapunktisch wahrgenommene Rhythmisierung der Körper in den Großstädten, die zu neuen Strukturen in Komposition und Choreografie führten, zweitens die (gleichwertige) Mechanisierung von Körpern und Objekten und drittens die Überschreitung von heteronormativen Beziehungskonstellationen.

London und Paris, in denen Jeux geprobt und schließlich aufgeführt wurde, galten als die kosmopolitischen urbanen Räume Europas um 1900; beide Metropolen zeichneten sich über ein beschleunigtes Verkehrssystem mittels Untergrundbahnen aus. [Vgl. Fauchereau 2001: 148–175][7] Insbesondere Paris wird zum Paradigma der modernen und inter- beziehungsweise transnationalen Jahrhundertstadt, wie der Literat Harold Pinter schon 1940 treffsicher formuliert:

[…] up to the date of the occupation, Paris had been the holy Place of our time [...] Paris was the only spot where necessary blendings could be made and mellowed, where it was possible to shake up such ‚modern doses’ as Viennese psychology, African Sculpture, American detective stories, Russian music, neo Catholicism, German technique, Italian desperation [...] What was done in Paris demonstrated clearly and for all time that such a thing as international culture had a definite style: the Modern. [Zit. nach Blazwick 2001: 13]

Die bildenden und szenischen Künste griffen die rasante Beschleunigung der Fortbewegung mittels Elektrizität und die Erfindung von Automobil, Flugzeug und Kino nicht nur als Topoi auf, sondern diese technischen Neuerungen provozierten alternative ästhetische Erfahrungen. Jeux ist in diesem Sinne die erste modernistische Inszenierung der Ballets Russes gewesen. Modernistisch auch, weil sich Choreographie und Komposition auf spezifische Weise verbinden, ohne ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Trotz Debussys Kritik an Nijinsky während der Proben und nach der Premiere – beispielhaft sei hier aus einem Brief zitiert „[Nijinsky] with his cruel and barbarous choreography [...] trampled my poor rhythms underfoot like weeds“[8] – ließ der Komponist sich nachweislich auf die vorgegebenen Strukturen und die motorischen Aktionen ein [vgl. Ortledge 1987: 68–73], wie auch Nijinsky (gezwungenermaßen) Modifikationen vornahm. Debussys Komposition ist wegen der Parallelisierung und Geflochtenheit von musikalischen Ereignissen als spezifisch zu bezeichnen.[9] Durch zahlreiche Wechsel in der Dynamik und viele Tempo- bzw. Rhythmuswechsel entsteht eine Struktur, die an eine Wellenbewegung denken lässt. Ein dynamisches und fluides (Bewegungs-) Muster mit interagierenden Abschnitten durchzieht die Komposition von Jeux. Debussy erkannte Nijinskys Präzision in der tendenziell seriellen Aneinanderreihung von performativen/tänzerischen Ereignissen[10] und sie sind vermeintlich gegenläufig zu seinem Konzept, da sie zwischen die Musik Debussys gehen; es gibt keine aufeinander aufbauende musikalische Struktur. Wiederholungen sind nur in den einzelnen kleinen Abschnitten angelegt. Durch die Kürze und auch durch das Fehlen eindeutiger Konturen in den Motiven werden diese beim Hören nicht zwangsläufig als Wiederholung wahrgenommen, ihr Effekt ist nicht formkonstituierend. Nicht einzelne Töne erklingen, sondern über zusammengehörende Tongruppen wird Flächigkeit erzeugt. Debussys Orchestrierung zeichnet sich durch changierende Klangfarben aus. Einzelne motivische Abschnitte kontrastieren insbesondere hinsichtlich der Instrumentation und der rhythmischen Gestaltung: Diese Abschnitte lösen einander jedoch nicht einfach ab, sondern koexistieren im Sinne einer Verflochtenheit; später haben übrigens Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen diese als (kompositorisch faszinierende) Spezifik Debussys bestimmt. Im Hörerlebnis ruft diese Verflechtung eine Ähnlichkeit mit Wellenbewegungen auf. Debussy waren das Szenario und das choreografische Konzept vorgegeben, das heißt er komponierte entlang von definierten Vorgaben und passte Struktur und Ästhetik an. In der Wahrnehmung verknüpfen sich schließlich auditive, visuelle und kinetische Aspekte. Nicht das vermeintliche Aufeinanderprallen zweier verschiedener Konzepte von Musik (Debussy) und Tanz (Nijinsky), sondern vielmehr die Gleichberechtigung dieser beiden Künste mit dem für die gesamte Inszenierung zu abstrahierenden Leitmotiv der Verflechtung wirkte schließlich auf die Rezipienten und sogar auf den Komponisten Debussy zuallererst befremdlich.

Entscheidend für die Konzeption von Jeux ist außerdem die Mechanisierung, das heißt Körper und Tennisschläger werden im Tennisspiel gleichermaßen als Instrument funktionalisiert. Tennis wird wie viele andere Sportarten in der Moderne zum Freizeitvergnügen erklärt, das wiederum die Künste als Topos aufgreifen. [Vgl. Kollinger 2016: 31–50, insbes. 39–40] Außerdem wird im eigentlich regelwidrigen (Tennis-)Spiel zu dritt ein grenzüberschreitendes Begehren sichtbar gemacht. Nicht zufällig verlegte Nijinsky die Aktion von Jeux in das Jahr 1920. Es handelte sich um einen alternativen Tanz der Zukunft, der die Intensivierung von Gegenwärtigkeit privilegiert.

In einem Interview nach der Premiere sagte Nijinsky, dass er die Idee für das Sujet eines Tennis-Balletts im Sommer 1912 im französischen Deauville bekommen hatte, als er die Bewegungen der Spieler beobachtete.[11] Die Präzision in der analytischen Durchdringung des Körper- und Bewegungskonzepts, das durch seine eigene Kompetenz vertieft ist,[12] und die Appropriation der Figurenkonstellationen im Tennis bestimmte schließlich die inszenatorische, choreographische und bewegungstechnische Struktur von Jeux: „Vaslav studied the movements of the body and paid close attention to the technique of striking the ball, also positions of the arm and the grip holding the tennis racquet.“ [Nijinska 1982: 444] Signifikante Motive in Jeux sind verdrehte Hand- und Kopfpositionen, de-formiertes klassisches Schrittvokabular und winkelige Posen. Aus Nijinskys Annotationen der Debussy Partitur[13] lassen sich drei Aspekte der Auftritte von modernen Menschen herauslesen. Diese korrespondieren mit Nijinskys „Experiment mit stilisierter Geste“ in Jeux[14]: Auffallend ist erstens die Signifikanz der Blicke in den ambivalenten Beziehungskonstellationen; wiederholt werden Anweisungen für die Blickrichtungen gegeben (Blicke vor, zurück etc.). Zweitens ist die Klassifizierung von motorischen Aktionen in athletische beziehungsweise alltägliche Bewegungen (Laufen, Springen, Stehen, Innehalten) und Tanz (leidenschaftlicher Tanz, grotesker Tanz, Walzer) erkennbar. Die Pas de Deux und Pas de Trois werden zu eigenständigen künstlerischen Formen, die egalitäre sinnliche Figurationen in Szene setzen.[15] Drittens handelt es sich um eine Präsentation von emotionalen Zuständen (eifersüchtig, sich fürchtend, freudig, schamhaft, unglücklich, spöttisch, verrückt...), die hauptsächlich mittels choreographischer Anordnung über Nähe/Distanz und abstrahierten Ausdrucks von Mimik und Gestik hergestellt werden.

André Levinson konstatierte schon 1913 die Darstellung des modernen Lebens mittels „prosaischer Symbole“ – und hier wären die prosaischen Körper zu ergänzen – und die Nähe zur post-impressionistischen, abstrakten Malerei, die durch Synthese wie geometrische Einfachheit charakterisierbar ist:

Thus in these sport ‚jerseys’ with ball and racket – traditional tennis emblems – in the impersonal architectural background, some elements of contemporary life are embodied in naïve and prosaic symbols. And in the breaks and groupings of tense bodies one clearly senses some sort of contact with the newest trends in painting which strive towards depth and synthesis by way of geometrical simplification. […] In Nijinsky’s compositions there is some of this significant abstraction. [Levinson 1982: 57]

Die Rektangularität in der Bewegungsausführung und die Eindrehung wurden von Levinson in Ballet Old and New (1917) als „skulpturale Paradoxie“ bezeichnet und dem künstlerischen Konzept einer „geometrischen Schematisierung“ zugeordnet. [Levinson 1982: 57] Erinnert man sich an die Quadratur des Kreises von Leonardo da Vinci, mit dem sich Nijinsky während des ersten Weltkriegs intensiv beschäftig hat, dann verschiebt sich in der Modellierung des modernen Menschen in Jeux die Gewichtung vom Kreis hin zum Quadrat. Dies kann als Umkehrung der ästhetischen Präferenz des 19. Jahrhunderts, genauer der Etablierung der Figur des Klassischen im Ballett, gedeutet werden. Im Uomo fisico, intellettuale e morale (1857) von Carlo Blasis beispielsweise stehen rechtwinklig konturierte Figuren und Formationen tendenziell für Statik und Hintergründigkeit/Tiefe, im Triangulären hingegen manifestiert sich das Geistreiche, das Gerechte, im unterbrochenen Dreieck hingegen die Ambivalenz. [Blasis 2007: 207–208] Schräge Raumwege rufen in der ästhetischen Wahrnehmung das Ungewisse, das Zweifelhafte auf. Das „Brünnlein der Kehle“ („fontanella della gola“), eine Referenz auf Leonardo da Vinci posthume Textsammlung „Trattato della pintura“, wird als Lot des menschlichen Körpers, als Kristallisations- und Ausgangspunkt beziehungsweise -linie für die Verlagerung der Schwerkraft in skulpturalen und kinetischen Dreierfigurationen bestimmt.[16] Die Reminiszenzen des sich im 19. Jahrhundert etablierenden sogenannten klassischen Balletts scheinen in Jeux durch, wenn auch auf spezifische Weise verfremdet, modernisiert: „Everything in the choreography was new – free movements and positions of the body applied to classical ballet technique.“ [Nijinska 1983: 445]

Die choreographische Anordnung in Jeux ist seriell, kinematographisch und zugleich mit einer minimalistischen Narrativierung[17] von Konkurrenzierung (mit Ausschluss von je einer Figur) und schließlich der Vereinigung aller drei grundiert – „ce triple baiser les confond dans une extase“[18] –, bis schließlich ein scheinbar aus dem Nichts geworfener Tennisball diesen Auftritt des Eros unterbricht und die drei Figuren überrascht und erschrocken flüchten lässt. Diaghilew bezeichnet dieses Motiv in der Generalprobe laut dem Maler Jacques-Émile Blanche erstmals als „la fontaine“ [Blanche 1913: 527] und stellt damit einen kunstgeschichtlichen Bezug zu den drei Grazien her.[19] Blanches Beschreibungen (er besuchte die desaströs aufgenommene Generalprobe und äußerte sich in La Revue de Paris kritisch zu Jeux) lassen die Modernität in der Inszenierung von Körperlichkeit erahnen: „Nijinski paraîssait dans l’action comme un sculpteur contemplant des figures qu’ils viendrait d’animer.“ [Blanche 1913: 527] Nijinsky selbst annotiert die Partitur Debussys wie folgt: „They depict (are interwoven like) a basket“[20] und in der gedruckten Version variiert in „The three of them in a strong body like a basket (they interlace their bodies). They flow together.“[21]

 

 

 

 

Abb.: Szenenbilder aus Jeux. Photo Charles Gerschel.

 

 

Abb. 2: Antoine Barbier: Szene aus Jeux. Pochoir Druck, 1914.
Bestand Derra de Moroda Dance Archives Salzburg, Signatur DdM ic M 001_08

 

Die ekstatische Vereinigung ist nicht nur metaphorisch zu verstehen, sie ist zugleich verkörpert: Die drei Figuren verflechten sich zu einem Korb.[22] Rezensionen der Zeit werfen Nijinsky vor allem Abstraktion mit Gefühlsentleerung vor, „l’abstraction plus que le sentiment“[23]. Dies provozierte das Publikum, dem zwar die Abstraktion in Bezug auf klassische Technik im Ballett vertraut war. Jedoch wurde die Abstraktion des Körpers verflochten mit einer Reduktion der Narration auf situative und unverbindliche Gefühlsartikulationen als fremd empfunden. Präzise konstatierte André Levinson nach der Premiere in Paris, dass das Pariser Publikum nicht etwa wegen der in Szene gesetzten ménage à trois schockiert war, sondern das skandalöse Obszöne (im Sinne von ob-scena) ist vielmehr die Profanierung des Tanzes und die Grenzüberschreitung der Genres gewesen.[24]

 

 

 

Games (2016): Auftritt des homme contemporain

Ohne den Korb als Metapher überstrapazieren zu wollen, lassen sich manche Verflechtungen von Jeux (1913) und Sergei Tcherepnins Games (2016) erkennen.

Die performative Installation ist für den White Cube des Museums der Moderne Salzburg entworfen worden, und in ihr scheinen – vergleichbar mit Jeux – die Entstehungsbedingungen durch. Sergei Tscherepnin lebt und arbeitet in New York. Games ist hauptsächlich geprägt von einem postindustriellen, hochtechnologisierten Kontext, der gleichzeitig aus urbaner Physis und virtuellen Räumen der Telekommunikation mit ihrer opaken Transparenz generiert ist. Pointiert für London formuliert, doch auf die meisten Megacities und vor allem auf New York übertragbar: „[it] is being rebuilt not as a city, but as the tip of just one tentacle of a stupendous octopus of electronic communication whose head is in outer space and whose tentacles touch all other cities everywhere.”[25] Sergei Tcherepnin lebt und arbeitet in einer Gegenwart, die nicht mehr von einem „Hardware-“, sondern einem „Softwarekapitalismus“ grundiert ist. [Vgl. Bauman 2003, 139] In ihr erodieren feste Strukturen und Verbundenheit/Loyalität, sie präsentiert sich exterritorial, flüchtig und wandelbar, es kommt zu einer Indifferenz gegenüber Dauerhaftigkeit und Unendlichkeit, die Verheißung lautet Unmittelbarkeit.[26] Als zeitgenössischer Künstler operiert er explizit mit dem Medium der Digitalität und produziert durch dessen Vermittlungsfunktion Sound, Bilder und Performances. Zugleich hybridisiert er Digitales mit Analogem. Basierend auf Artistic Research im Archiv[27] lässt sich der transmedial arbeitende Künstler auf ein Konzept im Rahmen der Ausstellung Kunst – Musik – Tanz. Staging the Derra de Moroda Dance Archives ein, in dem thematische und strukturelle Transfers zwischen Moderne und Gegenwartskunst entworfen wurden. Tcherepnin sichtete hauptsächlich Materialien zu den Ballets Russes und beschäftigt sich schließlich intensiv mit der Jeux-Rekonstruktion von Millicent Hodson[28]:

The very interesting thing about visiting the archive for me was to find all this information assembled in one place how to classify movement through notation, and how to reconstruct a performance through detailed research. I’ve been studying these notations and would like to incorporate them into my thinking; however, I am not restaging Jeux by any means. Instead I am composing a set of Imaginary Dances where characters from my personal archive can come alive and are staged in the spirit of Jeux. [Tcherepnin 2015]

 

In zweifacher Weise nach Nijinsky (‚in Referenz zu‘ und ‚historisch anderswo‘) installiert er im Ausstellungsraum fünf vor- und rückseitig menschengroße „Foto-Skulpturen“, auf denen mehrere junge Männer in einem futuristischen Basketballspiel einander und einen Kupferball zu begehren scheinen.

 

Ausstellungsansicht Kunst-Musik-Tanz. Staging the Derra de Moroda Archives
© Museum der Moderne Salzburg, Foto: Rainer Iglar.


Während des Herstellungsprozesses in New York führte Tcherepnin präzise Regie: Er ließ die amerikanischen Modelle (Tänzer, Schauspieler und Basketballspieler) spezifische Posen aus dem historischen Ballett nachstellen, überformte diese mit Re-Präsentationen von Athleten in NBA-Instagram-Schnappschüssen sowie aus Social Media und Werbung und lud die entstehenden Pictures mit erotischen Blicken und Gesten auf.[29] Das von Nijinsky artikulierte Begehren Diaghilews nach einer ménage à trois mit ihm und einem zweiten jungen Mann ist seine künstlerische Referenz: „The kind of twisted and coded homosexual subtext of the ballet serves as a lense through which the installation of Games can be interpreted.“ [Tcherepnin 2016 (b)] Kennt man die historische Inszenierung (beispielsweise von historischen Fotografien), dann wird die Ähnlichkeit unmittelbar erfahrbar. Jeux scheint in dieser Inszenierung der sich begehrenden drei Figuren durch, auch wenn die Inszenierung von Körperlichkeit der gegenwärtigen Ästhetik entsprechend konzipiert ist und damit abgehoben von der historischen Referenz. Auffallend an Tcherepnins im besten Sinne untreuer Übersetzung ist erstens die Abschwächung der Rektangularität von Nijinskys Körperkonzept durch die Rundung der Pose (vor allem der Armbewegungen) und zweitens die federnde Modulation der Muskulatur. Kraft und Körperschwere scheinen sich zu entsprechen, der Eindruck von hoher Elastizität wird erzeugt. Dies korrespondiert mit dem Bewegungskonzept des Basketballspiels; Nijinsky privilegiert in Jeux Aspekte von Festigkeit/Körperspannung durch verringerte Muskelelastizität. Drittens ist der Auftritt des Eros in Games auf einen singulären Gefühlsausdruck reduziert: Begehren (ohne Ausschlussprinzip). Viertens wird die prekäre Balance einer ménage à trois mehr räumlich als körperlich inszeniert: Die Foto-Skulpturen hängen scheinbar schwebend von der Decke.

Die Positionierung der Foto-Skulpturen im Raum ist grundiert von der Idee der schrägen Linie. In der (choreografischen) Anordnung von fünf Diagonalen werden Dreiecke und Quadrate (re-)konstruierbar, doch es handelt sich um unterbrochene, leicht versetzte, entgrenzte Figuren, die imaginär beziehungsweise durch die Raumwege des Publikums erfahrbar sind. In Carlo Blasis’ L’Uomo (1857) zeichnen sich Figurationen wie diese durch einen „widersprüchlichen“, „polaren“ Charakter aus. [Vgl. Blasis 2007: 208] Zickzacklinien sind die Wege des „Betrügers“, des „Gerissenen“, des „Heuchlers“, des „Charmeurs“, des „Hinterlistigen“, des „Verräters“. [Blasis 2007: 209] Entleert man in der frühen Moderne vorgenommene Zuschreibungen von ihrer moralischen Wertung, so scheint eine offensichtlich kulturell kodierte Ambivalenz dieser Formationen durch, die in den zeitgenössischen Künsten resoniert.

Die Fotoskulpturen sind außerdem mit einer äußeren „Extremität“ („limb“) als dreidimensionale Erweiterung der zweidimensionalen pikturalen Körperlichkeit versehen. Fasziniert von musikproduzierenden Skulpturen im historischen Raum und Balletten ohne tanzenden menschlichen Körper, wie beispielsweise in Feu d’artifice (1917)[30], einer Inszenierung von den Ballets Russes, arbeitet Tcherepnin mit berührungssensitiven Signalumwandlern aus Kupfer/Messing.[31] Wenn man diese berührt, wird ein Signal an einen Computer gesendet. Es ertönt Musik im Raum, und eine Schnittstelle zwischen Fotoskulptur und Sound wird durch den „Transfer von Energie“ hergestellt: „I am using these transducers often to create interfaces built into sculptures, in this case photographs. The photograph itself becomes an interface for starting some kind of predetermined music that I’ve composed.“ [Tcherepnin 2016 (a)] Inhaltlich intendiert ist eine „Vergegenwärtigung des Geistes“ von Nijinsky durch den Sound, das Publikum wiederum wird Tänzer, indem es über seine Bewegungen und Berührungen die Komposition zur Aufführung bringt:

The ghost of Nijinsky is resurrected through the sound itself […] The visitor becomes another dancer whose agency as activator of the sound sparks a new dance between the ‘sound characters’ and the visitors, while the sculptural photographs act as markers, stationary queer bodies that contextualize this dance into a gay basketball theater. [Tcherepnin 2016 (b)]

 

Anweisung für das Publikum für Games (2016) von Sergei Tcherepnin

 

Versteht man Sergei Tcherepnins Anweisung als Partitur, dann lassen sich folgende Aspekte dechiffrieren[32]: erstens setzt er genaue räumliche und zeitlichen Markierungen. Zweitens montiert er Geräusche und komponierte Klänge gleichwertig aneinander. Position 1 als Startpunkt definiert eine erste diagonale Raumdurchquerung des Zuschauers. Danach geht dieser im Uhrzeigersinn zu Position 3, durchquert wieder diagonal den Raum zu Position 4 und endet vorerst auf Position 5. Auf jeder Position wird ein spezifischer Baustein der Komposition aktiviert, die jeweils aus gleichwertig eingesetzten Geräuschen und komponierten Klängen besteht. Tcherepnin stellt alle Sound-Module (1, 2, 3, 4) nacheinander vor, bevor sie in Mittelposition 5, wenn alle Module gleichzeitig hörbar werden, eine Klangfläche bilden. Dort verflechten sie sich mit einem noch weiteren Baustein (5) in der Wahrnehmung, es ist keine Ausdifferenzierung der einzelnen Komponenten mehr möglich. Dies wird noch einmal verstärkt durch die letzte Anweisung: „After Position 5, walk around freely and listen. Composition ends after 12:00 min.“ [Siehe Score] Die Nähe zu Debussys Komposition zeigt sich kompositorisch über das Moment der Verflechtung, die zur Choreographie von Jeux über die Engführung von visuellen, auditiven und kinetischen Aspekten, die sich nicht ergänzen oder illustrieren, sondern das Ereignis als zugleich autonome und aufeinander bezogene Faktoren konstituieren und hervorbringen.

Über die gleichwertige Orchestrierung von inszenierten Foto-Figuren und der Montage von Sounds konstruiert Tcherepnin eine performative Skulptur, l’homme contemporain (den zeitgenössischen Menschen), der hauptsächlich durch mediale Migrationen und motorische Aktionen generiert wird. Games ist temporär immersiv: Der Schein wird quasi zur Welt.

Die Profilierung und Modellierung des jeweils gegenwärtigen Menschen – sei es modern (Jeux), sei es zeitgenössisch (Games) – ist bei allen Ähnlichkeiten (Sport als populärkultureller Topos wie dessen künstlerische Abstraktion, Inszenierung von queeren Figuren und Überschreitung von Genres) durch Unterschiede bestimmbar. Erstens sind die Entstehungs- und Produktionsbedingungen andere: Metropole versus Megacity, Theater versus Museum, vorgegebene Kooperation versus künstlerische Autonomie. Zweitens ist die jeweilige künstlerische Signatur zeitgemäß, wenn auch beide Arbeiten futuristisch angelegt sind. Dies zeigt sich beispielweise in der frontal konzipierten Inszenierung von Nijinsky mit vorgegebener Dauer (markiert durch seine Choreografie und Debussys Komposition) und der performativen Installation Tcherepnins, in der die direkte Partizipation des Publikums integrativer Bestandteil ist. Der Betrachtende bestimmt die Zeit seiner Anwesenheit selbst und hat verschiedene Möglichkeit der Rezeption: hauptsächlich visuell wahrnehmend oder als aktiver Performer. Drittens die komplexere (Bewegungs-)Techné von Jeux, die einen ausgebildeten Tänzerkörper voraussetzt, versus die verschieden trainierten Körper (Tanz, Schauspiel, Basketball) in Games.

Jenseits der skizzierten Ähnlichkeiten und Unterschiede verbindet beide Modellierungen des (jeweiligen) Gegenwartsmenschen noch etwas Entscheidendes, das ich abschließend unter dem provisorischen und Giorgio Agamben entlehnten Begriff der Profanierung als Denkfigur einbringen möchte. [Vgl. Agamben 2005: 70–71] Nijinsky und Tcherepnin konzipieren ihre Figuren und Figurationen an der Nahtstelle von Kunst und Nicht-Kunst. In einer jeweils spezifischen Gegenläufigkeit zur kultischen Aufladung des Theaters oder des Museums (als quasi ‚heilige‘ Stätte) profanieren sie ihre Figuren, ohne jedoch die Zäsur von Kunst und Nicht-Kunst gänzlich zu neutralisieren. In den profanen Erscheinungsformen von Jeux und Games verbirgt sich ein kultischer Überrest, der sich durch die Opferung des von Nijinsky und Tcherepnin präzise durchdrungenen und resonierenden Vergangenen als Gabe an die Zukunft auszuzeichnen scheint.

 

 

 



[1] Vgl. zur Ausstellung http://www.museumdermoderne.at/de/ausstellungen/aktuell/details/mdm/kunst-musik-tanz/ und die Website zur Ausstellung http://www.museumdermoderne.at/de/art-music-dance/ wie auch den Blog zur Ausstellung: http://ddmarchiv.sbg.ac.at/blog/ (Letzter Zugriff: 17. 09. 2016)
[2] Choreografie: Vaslav Nijinsky, Komposition: Claude Debussy, Szenografie: Léon Bakst, Tanz: Tamara Karsavina, Vaslav Nijinsky, Ludmilla Schollar.
[3] Vgl. Transcript of Nijinsky’s Annotations on Debussy Scores: Copyist Manuscript. In: Hodson 2008: 276–284.
[4] Vgl. Kraß 2003: 7–28, insbes. 18: „(Queer Theory) zielt auf die Denaturalisierung normativer Konzepte von Männlichkeit und Weiblichkeit, die Entkoppelung der Kategorien des Geschlechts und der Sexualität, die Destabilisierung des Binarismus von Hetero- und Homosexualität sowie die Anerkennung eines sexuellen Pluralismus [...].“
[5] Vgl. zum „Plural der Maskulinitäten“ die Überlegungen von Ralph Poole in Poole 2012: 12.
[6] Eine Ausnahme stellt ein zu diesem Topos hervorragender Artikel von Hanna Järvinen dar, von deren genauer Quellenarbeit und konzise argumentierten Erkenntnissen dieser Essay profitiert hat. Vgl. Järvinnen 2009: 199–226.
[7] Ich danke Marijana Schneider für diesen Hinweis.
[8] Debussy in einem Brief an Gabriel Pierné (4. 02. 1914), zit. nach Ortledge 1987: 72.
[9] Ich danke Franziska Kollinger für die musikalische Analyse, deren Struktur und Ergebnissen ich in diesem Abschnitt folge.
[10] „Now I know: he’s a man who is very good at arithmetic. I am not very learned in that subject, but I do remember one or two lessons from school. This for example: one, two, three; one, two, three; one, two, three, four, five; one, two, three, for five, six; one-two, three, one, two-three (a little faster) (...) and then one adds it all up. This doesn’t sound like much, but it can be very moving, especially when the problem is posed by the incomparable Nijinsky.“ Le Matin, 15.5.1913, zit. nach Hodson 2008: 48.
[11] Nijinsky im Interview mit Émile Deflin in Gil Blas 25.05.1913, zit. nach Järvinen 2009: 206.
[12] Laut Nijinska spielte Nijinsky bereits 1908 noch in Russland Tennis in der Datscha seines ersten Liebhabers und Mentors Prinz Pavel Lvov. Nijinska 1982: 240.
[13] Vgl. Transcript of Nijinsky’s Annotations on Debussy Scores: Copyist Manuscript und Transcript of Nijinsky’s Annotations on Debussy Scores: Printed Piano Script, veröffentlicht und ins Englische übersetzt in: Hodson 2008: 276–284 und 285–289.
[14] Vgl. Vaslav Nijinsky im Interview nach der Premiere in Gil Blas (20.5.1913), zit. nach Buckle 1971: 290.
[15] Vgl. dazu Bronislava Nijinska, die in Mémoires ihren Bruder Vaslav zitiert: „Nous devons dissimuler toutes les structures pour que ce pas de deux devienne une forme artistique et non pas ce qu’il est maintenant, une démonstration d’acrobatie. Dans le pas de deux que nous dansons ensemble, nos mouvements doivent se mêler et se compléter.“ Nijinska 1983: 391.
[16] Aufschlussreich für tanztheatrale Tradierungen von Dreierkonstellationen ist Blasis’ L’Uomo. Sein viertes Tableau zur Theorie von Schwerkraft schließt mit einer Gruppe (Fig. 17) ab. In dieser wird das Gleichgewicht durch den Kräfteausgleich von drei Personen hergestellt, deren Körper eine Einheit bilden. Die Figuren sind durch direkte Berührungen miteinander verbunden. Die einzelnen Posen (Arme, Beine, Oberkörper) werden so ausgerichtet, dass sie zusammen ein Dreieck, ein historisierbares Symbol für Stabilität, erzeugen. Die Herstellung von Gleich­gewicht wird auf mehrere Körper übertragen, die miteinander und als zusammen­gesetzter Corps die Balance austarieren. Hervorgehoben wird die „fontanella della gola“ als Regulator des Gleichgewichts, nicht zufällig eine Leonardo da Vinci-Referenz. „La fontanella della gola cade sopra i piedi, e gittando un braccio innanzi, la fontanella esce d’essi piedi; e se la gamba getta indietro, la fontanella va innanzi, e così si rimuta in ogni attitudine.“ Blasis 2007: 220.
[17] Die männliche Figur (3) nähert sich mehrere Male der ersten weiblichen Figur (1) an, bevor sie auf Resonanz stößt; es wiederholt sich das Spiel mit Nähe und Distanz in Variation mit der zweiten weiblichen Figur (2); In den Formationen der Pas de deux und der Pas de trois scheinen temporäre Gefühlszustände (Freude, Verliebtheit, Eifersucht, Scham...) durch, die durch Ausschluss von jeweils einer Figur gekennzeichnet sind. Nach einer homoerotisch aufgeladenen Sequenz (1, 2), die eine Unterbrechung (von 3) erfährt, wird zwischen allen Figuren (1, 2, 3) graduell Intimität erzeugt.
[18] Transcript, Copyist Manuscript. In: Hodson 2008: 284.
[19] Diese Figuration wird in der Rezeption von Jeux mit dem transhistorischen Motiv der drei Grazien in der europäischen neuzeitlichen Malerei, von Botticellis Primavera über Canovas Drei Grazien bis zur modernen Appropriation von Picasso und Gauguin, in Beziehung gesetzt. Vgl. Hodson 2008: 14-20.
[20] Original Russisch. Copyist Manuskript. In: Hodson 2008: 284.
[21] Printed Piano Score. In: Hodson 2008: 289.
[22] Nicht zufällig scheint in der Fotografie von Charles Gerschel der Bezug zur „fontanella della gola“ durch. Sie wird als perpendikularer Knotenpunkt durch die Überkreuzung der beiden Arme von Karsavina und Schollar vor dem Oberkörper von Nijinsky markiert.
[23] Henri Ghéon in : La Nouvelle revue française, August 1913. Zit. nach Järvinnen 2009: 207.
[24] „For they (the Parisians) are unswerving in their differentiation of scenic genres and their separation of high and low styles of staging. The appearance of figures with the typical exterior character of a ‘variety’ theater on the lyrical stage offended them as something verging on the indecent.” Levinson 1982: 52.
[25] Dies ist dem Kommentar zu London des Architekturkritikers Martin Pawley in den späten 1980er Jahren entlehnt. Zit. nach Blazwick 2001: 12.
[26] Vgl. dazu das Kapitel Zeit/Raum in: Bauman 2003: 110–153.
[27] Friderica Derra de Moroda (1897 Pressburg/Bratislava bis 1978 Salzburg) hat als Tänzerin bereits Anfang der 1920er-Jahre zunächst in London begonnen, systematisch Dokumente verschiedenster Art zu Tanz zu sammeln und damit ihr Archiv mit umfangreichen Beständen von der Renaissance bis zur Moderne als eine der ersten Einrichtungen dieser Art in Europa begründet.
[28] Millicent Hodson: Nijinsky‘s Bloomsbury Ballet und Rekonstruktion von Jeux (1996), Aufzeichnung 2003: https://www.youtube.com/watch?v=FkZhDcB-OfA (letzter Zugriff: 16. 11. 2016)
[29] Sergei Tcherepnins Ästhetik scheint von der Picture Generation beeinflusst, eine lose affilierte Gruppe, deren Arbeiten sich sich seit den 1980er Jahren durch Medienindifferenz auszeichnen und sich beispielsweise nicht auf den ersten Blick von zu Unterhaltungszwecken massenproduzierten Bildwelten abheben, sondern mit De-und Re-Kontextualisierungen arbeiten, durch die in der ästhetischen Wahrnehmung Differenz erzeugt wird. Vgl. zur Picture Generation auch: Rebentisch 2013: 150–165.
[30] Komposition Igor Strawinsky (1908), Inszenierung verantwortet von Giacomo Balla (1917) in Rom.
[31] Sergei Tcherepnin erklärt die Funktion der Signalumwandler im artist talk: Tcherepnin 2016 (a).
[32] Die folgenden Ausführungen basieren auf den musikanalytischen Überlegungen von Franziska Kollinger.

 

Literatur
Agamben, Giorgio. „Lob der Profanierung“. In: Giorgio Agamben: Profanierungen. Frankfurt 2005: 70–71.
Bauman, Zygmunt. Flüchtige Moderne. Frankfurt am Main 2003
Blanche, Jacques-Émile. Un Bilan artistique de 1913. In: La Revue de Paris, 1.12.1913: 517–534.
Blasis, Carlo. L’Uomo fisico, intellettuale e morale. Hg. von Ornella di Tondo und Flavia Pappacena. Lucca: 2007: 207–208.
Blazwick, Iwona (Hg.). Century City. Art and Culture in the Modern Metropolis. Ausstellungskatalog. London 2001.
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Cahusac, Harold. In: Le Figaro, 14. 5. 1913.
Debussy, Claude. Brief an Gabriel Pierné (4.02.1914), zitiert nach Robert Ortledge: „The Genesis of Debussy’s Jeux“. In: The Musical Times, Vol. 128, No. 1728. Februar 1987: 68–73.
Fauchereau, Serge. „Paris 1905–1915“. In: Iwona Blazwick (Hg.). Century City. Art and Culture in the Modern Metropolis. Ausstellungskatalog. London: 2001: 148–175.
Haitzinger, Nicole. „Auftritt des Eros? Zur Re-Inszenierung von Labans Don Juan in der Tanzfotografie der 1920er Jahre.“ In: Tanz & Archiv: ForschungsReisen. Doing Memory, Heft 6. Irene Brandenburg, Sandra Chatterjee, Nicole Haitzinger und Claudia Jeschke (Hg.). München 2015: 110–123.
Hodson, Millicent. Nijinsky’s Bloomsbury Ballet. Reconstruction of the Dance and Design for Jeux. Hillsdale, NY 2008.
Järvinen, Hanna. „Critical Silence: The Unseemly Games of Love in Jeux (1913)“. In: Dance Research Journal, Vol. 27, No. 2, Les Ballets Russes Special Volume. Part 2. In Celebration of Diaghilev’s first Ballet Season in Paris in 1909, Edinburg: (Winter) 2009: 199–226.
Kollinger, Franziska: „Moderne Parataxe. Das Album Sports et divertissements“. In: Moderne Szenerien. Skizzen zur Diversität von Tanz- und Musikkulturen (1910–1950). Nicole Haitzinger und Franziska Kollinger (Hg.). München 2016: 31–50.
Kraß, Andreas. „Queer Studies – eine Einführung“. In: Andreas Kraß: Queer denken. Gegen die Ordnung der Sexualität (Queer Studies). Frankfurt am Main 2003: 7–28.
Levinson, André. Ballet Old and New. New York 1982.
Nijinska, Bronislawa. Early Memoirs, London 1982.
Nijinska, Bronislawa. Mémoires, 1891–1914. Paris 1983.
Nijinsky, Vaslav im Interview nach der Premiere von Jeux in Gil Blas (20. 5. 1913), zitiert nach Richard Buckle. Nijinsky. New York 1971: 290.
Ortledge, Robert. „The Genesis of Debussy’s Jeux“. In: The Musical Times, Vol. 128, No. 1728. Februar 1987: 68–73.
Pinter, Harold. „The Fall of Paris“. In: Partisan Review. New York 1940. Zitiert nach Blazwick 2001: 13.
Poole, Ralph. Gefährliche Maskulinitäten. Männlichkeit und Subversion am Rande der Kulturen. Bielefeld 2012.
Rebentisch, Juliane. Theorien der Gegenwartskunst. Hamburg 2013.
Tcherepnin, Sergei. Unveröffentlichtes Typoskript zur Ausstellung. Salzburg 2015.
Tcherepnin, Sergei im Künstlergespräch, Museum der Moderne Salzburg, 19. 03. 2016 (a): https://www.youtube.com/watch?v=TPWmRAHbiCg&feature=youtu.be (letzter Zugriff: 17. 09. 2016).
Tcherepnin, Sergei. E-Mail an Nicole Haitzinger. 1. 09. 2016 (b)
Transcript of Nijinsky’s Annotations on Debussy Scores: Copyist Manuscript. In: Hodson 2008: 276–284.
Transcript of Nijinsky’s Annotations on Debussy Scores: Copyist Manuscript und Transcript of Nijinsky’s Annotations on Debussy Scores: Printed Piano Script, in: Hodson 2008: 276–284 und 285–289.

 

 

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