Archiv. Geschichten – Re-Inszenierung und Präsentation

Choix d'un passé – Transnationale Vergegenwärtigungen kolonialer Hinterlassenschaften

Brigitta Kuster (Berlin)
„Vielleicht ist es nicht ganz unwesentlich, die Geschichte dort beginnen zu lassen, wo mich vor ein paar Jahren die Kunde über einen möglichen Zeugen zu Ereignissen aus der deutschen Kolonialzeit Ende des 19. Jahrhunderts im heutigen Kamerun erreichte, und zwar in Form einer Erinnerung, die sozusagen als Gepäck einer gegenwärtigen Migrationsgeschichte mitgeführt wurde. Auf diese Weise kam es dazu, dass das Zeugnis zu dem Mord am Urgroßvater von Moïse Merlin Mabouna aufgerufen wurde, nach dem du fragst. Es war gewissermaßen zuerst da und rückte erst mit der Zeit, und in dem Prozess, ihm Bedeutung und „Wahrheit“ abzugewinnen, in ein Verhältnis zu anderen Wissensformen, wie sie etwa im kolonialen Archiv enthalten sind.“

Heldentod und Bruchlandung

Ulrike Krautheim (Tokio)
Die Bedingungen für den Vollzug der tödlichen Mission könnten nicht besser sein. Bereits im Morgengrauen sieht der 19-jährige Kamikaze-Flieger Tadamasa Itazu, wie sich die Silhouette des Mondes scharf im Baumgeäst abzeichnet und ahnt, dass ein strahlend sonniger Tag bevorsteht, also ideale Wetterbedingungen für seinen ersten und letzten Einsatz als Pilot der japanischen Luftwaffe. In Meiro Koizumis Videoarbeit „Where the Silence Fails (Double Projection #1)“, die im Jahr 2013 entstand, wird der Betrachter zunächst mit einem Zeugenbericht aus der letzten Phase des Pazifischen Kriegs konfrontiert, der provozierend affirmativ daherkommt.

Artistic Processes of Archiving in Contemporary Dance

Lucie Ortmann (Hannover/Dresden)
How to create dance archives as ‘meaningful’ and ‘attractive’ tools for new creation? In 2013, Ong Keng Sen (Singapore International Festival of Arts) together with The Saison Foundation in Tokyo, Japan, called to life a project on archiving dance, which subsequently became the Archive Box Project. In the following years, it was realized in three phases oscillating between mediation, collaborative research and artistic practice. Seven participating Japanese artists, who each created an archive of their own works, developed individual, often contrary concepts of the archiving process.

Wenn das Archiv bereits dagewesen ist

Franz Anton Cramer (Berlin, Salzburg)
Die Ausstellung „Kunst-Musik-Tanz: Staging the Derra de Moroda Dance Archives“ in Salzburg, Museum der Moderne, 19. März bis 3. Juli 2016

Games: Jeux. Sergei Tcherepnin trifft auf Vaslav Nijinsky

Nicole Haitzinger (Salzburg)
Der Beitrag befasst sich mit Sergei Tcherepnins Sound-Installation „Games“, die 2016 im Rahmen der Ausstellung „Kunst-Musik-Tanz. Staging the Derra de Moroda Dance Archives“ im Museum der Moderne Salzburg zu sehen war. In Auseinandersetzung mit Vaslav Nijinskys Ballett „Jeux“ von 1913 und seinem Referenzrahmen des homme moderne entwickelt Tcherepnin eine neue Modellierung des homme contemporain. Dabei greift er Genderfragen ebenso auf wie den Kult des Sportiven oder das Verschwinden von künstlerischen Gattungsgrenzen.

„Wir brauchen das Kino jeden Tag!“ - Das Berliner Projekt Blickpilotin e.V. (1989-2007)

Madeleine Bernstorff und Regina Holzkamp im Gespräch mit Verena Elisabet Eitel (Berlin)
1989 schließt sich eine Gruppe von Berliner Kinomacherinnen, Filmemacherinnen und Forscherinnen zusammen – alle engagiert und erfahren in der selbstorganisierten Kinoarbeit – um die feministische Perspektive auf Filme in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken, ihm einen angemessenen Ort der Vorführung und des diskursiven Austauschs zu geben. Zunächst unter dem Namen Initiative für ein Feministisches Kommunales Kino, dann unter Blickpilotin entstehen über die Jahre zahlreiche kuratierte Filmprogramme, Diskussionsreihen, Publikationen. Daneben wächst u.a. eine einzigartige Sammlung an Materialien über weibliche Filmschaffende. Seit dem Spätsommer 2016 gibt es die Homepage blickpilotin.de, die die Entstehung und Geschichte des Projekts nachzeichnet und eine Übersicht über die Sammlung gibt, die im vergangenen Dezember dem Schriftgutarchiv der Stiftung Deutsche Kinemathek übergeben wurde. Ein Gespräch mit den Initiatorinnen des Vereins und der Homepage Madeleine Bernstorff und Regina Holzkamp über das Kinoschaffen und was davon bleibt.

"Happenings are pure subjective experience". An Interview with Jean-Jacques Lebel by Eric Morrill

Eric Morill (Oakland)
Jean-Jacques Lebel, born in Paris in 1936, is an artist, activist and writer. His works have ranged from paintings, sculptures, installations videos and poems to translations and happenings. Trilingual and active both aesthetically and politically, he has had numerous exhibitions all over the world, working alone or in collaboration with artists including Erró, Allan Kaprow, Robert Filliou, Tetsumi Kudo, Claes Oldenburg, Yoko Ono, Carolee Schneemann, and Wolf Vostell, and poets Lawrence Ferlinghetti, Allen Ginsberg, Gregory Corso, William Burroughs and Michael McClure. For this interview, focused on documentation and the archive, we spoke primarily about his happenings, the first of which, L’Enterrement de la Chose (The Burial of the Thing, Venice, July 14, 1960) has been celebrated as the first such event on the European continent.