Bewegung als Kategorie der Skulptur bei Tony Cragg

Elisabeth Heymer (Berlin)

 

 

 

„Der fertige Mensch muß mehr Anteil nehmen an Dingen,
die in der Saat sind, an dynamischen Dingen,
als an Dingen, die tot, im Sterben, statisch sind.“

[Pound 1957: 137]

 

Tony Cragg ist für seine imposanten Skulpturen bekannt. Seine Beschäftigung mit Bewegung, die sich schon in seinem Frühwerk zeigt, ist dabei bisher wenig beachtet worden. In den frühen Arbeiten der 1970er Jahre bezog der Künstler seinen eigenen Körper in die Kunstwerke mit ein, indem er beispielsweise kleine Steine auf seinen Schultern und Armen platzierte und das so entstandene Werk fotografisch festhielt.

Obwohl der Körper des Künstlers in seinen gegenwärtigen Skulpturen physisch nicht mehr anwesend ist, bildet die Beziehung zwischen dem Mensch und den Dingen noch immer den wesentlichen Hintergrund von Craggs Skulpturen. Die Darstellung von Bewegung in den beiden Werkgruppen Early Forms und Rational Beings unternimmt nicht den Versuch, physische Bewegungsabläufe des menschlichen Körpers figurativ abzubilden. Vielmehr interessiert es den Künstler, verschiedene Eigenschaften von Bewegung in Form zu fassen. Die Skulpturen der beiden Werkgruppen, die Cragg „sculpture families“[1] nennt, sind komplex und beinahe „wuchernd“, wobei sie geometrische und organische Formen verbinden.

Als eine Ausformung von Bewegung lässt sich Transformation lesen. Transformation charakterisiert nicht nur die Entstehungsphasen der einzelnen Werke Craggs, sondern lässt sich auf den gesamten Schaffensprozess beziehen, bei dem die jeweilige Skulptur wie eine Momentaufnahme innerhalb einer stetig stattfindenden Wandlung zu verstehen ist. Der Künstler selbst beschreibt, dass seine Arbeit nicht bei der einzelnen Skulptur stehen bleibt, sondern sich immer aus den vorhergehenden Arbeiten die nächste Skulptur heraus entwickelt.[2] Der Entstehungsprozess der Skulpturen ist damit an sich schon ein dynamischer. Der Entwicklung der beiden Skulpturengruppen Early Forms und Rational Beings liegt jeweilig ein Konzept zugrunde, das seriell immer wieder variiert und weitergedacht wird. Dabei entwickeln sich die Strukturen von vergleichsweise einfachen zu immer komplexeren. Cragg entwirft damit eine alternative Evolution.[3]

 

 

Early Forms – Bewegte Membran

Vorbilder für die Early Forms sind Gefäße. Zwei oder mehrere ganz verschiedenartige „Flüssigkeitsbehälter“ [Batchelor 2003: 375-383] wie Flaschen, Amphoren oder Reagenzgläser dienen als Ausgangspunkt und werden von Cragg in der Skulptur miteinander verschmolzen. In den frühen Arbeiten lässt sich ein stärker mimetischer Bezug feststellen, während in den neueren Arbeiten für den Betrachter kaum noch das Vorbild z. B. einer Flasche erkennbar ist. Der Titel dieser Serie, Early Forms – also „frühe Formen“ oder „Früh-/Urformen“ verweist auf das Feld der Biologie. Obwohl Cragg ein neues Formenvokabular schafft, verortet er dieses in einer Art evolutionärer Entwicklung und weckt Assoziationen an eine längst vergangene Zeit. Gegenstände der Zivilisation, von der antiken griechischen Amphore bis zum chemischen Kolben aus dem Labor werden hier nahtlos in eine Entwicklung gestellt und so in die Nähe der Artenentstehung in der Natur gerückt. Damit stellt Cragg die Dichotomie Natur/Kultur infrage.

 

Abb. 1: Tony Cragg, Early Forms, 2001, Bronze, 130 × 410 × 160 cm.
© Tony Cragg, Foto: Michael Richter

 

Die beinahe organisch erscheinende Verbindung unterschiedlicher Gefäße zu einem Objekt mit einer neuen, eigenen Erscheinung und Qualität wird durch das Material Bronze unterstützt. Bronze ist ein traditionelles Bildhauermaterial und vermittelt Dauerhaftigkeit sowie Massivität. Dennoch wirken die Skulpturen allesamt sehr leicht, denn sie geben immer den Blick in ihr hohles Inneres frei. Die in dieser Early Form (Abbildung 1) veranschaulichte Bewegung liegt vor allem in der Augenbewegung des Betrachters. Von der dunklen Öffnung wird der Blick angezogen und über Kurven in die Tiefe geführt. Nicht sofort fallen einem die unterschiedlichen Gefäßformen auf, sondern der Blick oszilliert zwischen der Wahrnehmung eines amorphen abstrakten Gebildes und den Anklängen an Gegenständlichkeit.

Einerseits erinnern die Early Forms an die Stilllebenmalerei, die Maler in der Frühen Neuzeit nutzten, um anhand von kontrastierenden Gegenständen wie zum Beispiel auch Behältnissen für Flüssigkeiten unterschiedlicher Materialität und Form ihr malerisches Können zu demonstrieren. Andererseits changiert die Verwendung der chemischen Kolben zwischen der Assoziation streng formaler, nüchterner Gefäße, die bei exakten wissenschaftlichen Arbeiten zum Einsatz kommen und einer Art geheimnisvoller Verwandlung, die diese Instrumente durchlaufen, als seien sie Teil eines alchimistischen Experiments.[4]

 

Stillleben versus Allansichtigkeit

Ein Bildhauer der klassischen Moderne ist für Cragg von besonderer Bedeutung: der Futurist Umberto Boccioni. Erklärtes Ziel der Futuristen war es, Bewegung als Verkörperung des Fortschritts in ihre Kunst zu integrieren. Boccioni wollte die geschlossene Form der Dinge aufbrechen und „plastisch die Einflüsse der Umwelt und die atmosphärischen Bindungen, die diese an den Gegenstand fesseln, wiedergeben.“ [Schmidt-Bergmann 2009: 318] Eine seiner berühmtesten Skulpturen, Die Entwicklung einer Flasche im Raum, verdeutlicht das dynamistische Verständnis des Künstlers, das er in seinem Manifest theoretisch darlegt.[5] Das stilllebenartige Arrangement zeigt eine Plinthe, die einen Tisch suggerieren könnte, auf der eine als Flasche denkbare Form sowie zwei weitere Formen, die an ein Glas und einen Teller erinnern, erkennbar sind. Die Formen sind nicht fest umrissen und klar konturiert, sondern durchschneiden einander. Die kompositorische Grundstruktur entspricht einer Spirale, die sich nach oben verjüngt. [vgl. Schneede 1994: 139] Das Formenvokabular ist geometrisch und wirkt wie mit einem Skalpell an verschiedenen Stellen aufgeschnitten und präzise freigelegt. Der Flaschenkörper selbst ist nicht geschlossen, sondern offenbart zum Betrachter hin den Einblick in sein Inneres. Boccioni will also das Innere und Äußere zugleich repräsentieren. In ähnlicher Weise bieten auch die Early Forms fragmentarische Einblicke in ihr hohles Inneres, verweisen damit aber im Gegensatz zu Boccioni auf die Unmöglichkeit, Innen und Außen gleichzeitig zu betrachten.

Bei Boccioni ist die Flasche zentrale Achse der gesamten Komposition, um die herum sich alles andere kreisförmig entwickelt. Zugleich ist die leere Mitte der Flasche das ruhende Moment der Komposition, das in Opposition zum bewegten Äußeren steht [vgl. Krauss 1987: 42].

Dies kann man mit der Entwicklung des sogenannten „Serpentinentanzes“ von Loïe Fuller in Beziehung setzen, einer Hauptvertreterin des um die Jahrhundertwende entstehenden Ausdruckstanzes. Bei diesem Tanz verschwindet die Tänzerin förmlich unter sich drehenden, wirbelnden Stoffbahnen, die unterschiedlich farbig beleuchtet wurden. Der Körper der Tänzerin tritt hinter der Dynamik der Bewegung vollständig zurück: „Fullers Ausdruckstheorie ist vielmehr an der Idee der Bewegung als metamorphotisches und illusionistisches Prinzip interessiert, an der Bewegung mutatis mutandis […]“ [Huschka 2002: 104]. Ähnlich der Flaschenkonstruktion bleibt das Zentrum bei diesem Tanz leer, die Tänzerin ist verborgen hinter den um sie kreisenden Stoffbewegungen.

Nicht nur der Ausdruckstanz, sondern auch die von Pionieren wie Eadward Muybridge und Étienne-Jules Marey entwickelte Chronofotografie weckte das Interesse der Künstler der Avantgarde an der Möglichkeit der Darstellung von Bewegung.[6] Boccioni zielt auf die Auflösung des gegen den Umraum abgeschlossenen Körpers als Ausdruck von Energien, die vom Objekt ausgehen: Die Gegenstände sollen nicht mehr als fest umrissene Formen wahrgenommen werden, sondern eher als könnten sie sich ins Unendliche ausdehnen und einander durchdringen, vergleichbar den erst kurz zuvor entdeckten Röntgenstrahlen. Über eine mimetische Darstellung hinausgehend dehnt Boccioni die Formen, bricht sie auf und befähigt den Betrachter, unendlich viele Blickwinkel in einem einzigen konzeptuell zu erfahren.[7]

Tony Cragg führt die Möglichkeiten der Allansichtigkeit auf eine neue Stufe. Der Betrachter folgt den vielfältigen Volumina, die sich von allen Seiten seiner Plastiken ergeben. Man kann keinen idealen Betrachterstandpunkt ausmachen, sodass der Rezipient selbst sich ständig um das Werk herum bewegen kann, um so immer neue Blickwinkel auf die Skulptur einzunehmen. Cragg geht es um diese dynamische Betrachtung der Skulptur und die Bewusstwerdung ihrer Zeitlichkeit.Die Formen entwickeln sich prozessartig und man imaginiert eine Fortführung der Skulptur in neuen Verschlingungen (Abbildung 1). Die Skulptur wirkt nicht abgeschlossen, sondern wirkt wie der momentane Augenblick einer rätselhaften Metamorphose. Cragg thematisiert ein stetiges Wachsen. Ihn interessiert eine Thematik, die die Kunst schon seit Ovid fasziniert: Wie kann man die „Umwandlung einer Gestalt in eine andere“ [Lichtenstern 1992: 1] darstellen? Er bezieht sich nicht direkt auf eine von Ovids Metamorphosen, sondern erweitert mit seiner Skulptur die Idee der Metamorphose weg von der menschlichen Gestalt zu den Dingen. Dem Metamorphosegedanken ist Bewegung an sich inhärent, denn er charakterisiert einen dynamischen Prozess. Außerdem rekurriert die Metamorphose auf die Freiheit des Künstlers, alles schaffen zu können, was er imaginiert. Somit vereint der Begriff Metamorphose Prozesse in der Natur und der Kultur.

 

 

Rational Beings – bewegtes Denken

Die Umrisse der schlanken, in die Höhe strebenden Rational Beings formen anthropomorphe Silhouetten, die beim Umschreiten immer wieder neue Eindrücke von Köpfen oder auch nur stückweisen Profilen hervorrufen. Der Titel suggeriert, sich die Kompositionen als denkende, dem Verstand unterworfene Lebewesen vorzustellen. Die einzelnen Titel von einigen der Werke legen nahe, die Skulpturen auf Formen des Denkens zu beziehen, wie beispielsweise Line of Thought oder auch der Titel der im Folgenden beschriebenen Skulptur Points of View. Diese Skulpturen sind, wie Catherine Grenier zeigt, nicht figurativ, dennoch aber auch nicht abstrakt, ähnlich wie die Early Forms. Sie sind in einem Raum dazwischen anzusiedeln [Grenier 2011: 63]. Cragg verbildlicht einen unsichtbaren Prozess, einen momenthaften Vorgang, der immateriell ist. So wie die Momentfotografie um die Jahrhundertwende neue Aspekte von Bewegung sichtbar werden ließ, denkt Cragg diese Sichtbarmachung auf einer virtuellen Ebene, nämlich der Ebene des menschlichen Denkens weiter, um eine Möglichkeit zu finden, dieses künstlerisch darzustellen. Seine Skulpturen werden zu Medien der Aufzeichnung einer nur gedachten Bewegung.

 

Abb. 2: Tony Cragg, Points of View, 2007, Bronze, 550 × 150 × 150 cm.
© Tony Cragg, Foto: Charles Duprat.

 

Das massive Material der Skulptur Points of View (s. Abbildung 2) wird auch hier konterkariert durch einen leicht wirkenden, sich windenden Eindruck: die voluminösen Massen wurden zu Leichtigkeit und Bewegung gestreckt.[8] Die in sich gedrehte S-Form und starke Verschlankung verstärken noch den suggestiven Eindruck vermeintlicher Biegsamkeit, die auch die Early Forms charakterisiert. Die mäandernde schraubenförmige Entwicklung erinnert an ein zentrales Kompositionsprinzip, das Michelangelo als erster entwickelte und das im Barock seine Vollendung erreichte: die figura serpentinata. Dieses Kompositionsprinzip nutzten die Bildhauer, um eine größere Dynamik in ihrer Skulptur zu erreichen, wobei sie die menschliche Figur in kunstvoll gedrehten Haltungen darstellten, damit sie von allen Seiten zur Betrachtung anregte. Dabei entfernten sich die Künstler vor allem im Manierismus von einer genauen anatomischen Wiedergabe des menschlichen Körpers zugunsten ihrer Vorstellungen der perfekt in sich gedrehten Kurve. Das Ziel einer kompletten Allansichtigkeit verbindet Cragg mit Künstlern wie „Bernini und Borromini […], wo die Spannung und die Vielfalt der Gesichtspunkte eine Komplexität der Interpretation zulassen, die sich nie in einigen wenigen perspektivischen Lösungen erschöpft.“ [Dehò 2011: 50]

In der Tat kann man angesichts von Points of View nicht mehr von einem idealen Betrachterstandpunkt sprechen, was durch die kreisförmige Anordnung unterstützt wird. So hat der Rezipient die Möglichkeit, zwischen den drei einzelnen Figuren umherzugehen. Der Blick wird auf die Umrisse der Skulpturen gelenkt, gleichzeitig beginnt man den Umraum stärker wahrzunehmen. Die Profilformen werden der Gesamtlinie, einer geschwungenen Kurve, untergeordnet. Die Skulptur lässt sich für den Betrachter nie als ein Ganzes erfassen – die Anschauung kann nur abgebrochen, nicht abgeschlossen werden. So zirkuliert der Blick zwischen den einzelnen Figuren und für Momente meint man wiederholt, Porträts identifizieren zu können, die jedoch bald wieder mit dem amorphen Gesamten verschmelzen.

Bei den erkennbaren Profillinien handelt es sich nicht um Figurenporträts, niemand ist hier dargestellt. Trotzdem scheint ein überraschender Bezug zu einem weiteren futuristischen Werk aus der Mitte der dreißiger Jahre mit dem Titel Profilo continuo von Renato Bertelli (1900-1974) zu bestehen. Hierbei handelt es sich um ein idealisiertes Porträt von Mussolini, das um 360° aufgezogen wurde und so von allen Seiten als Porträt sichtbar ist.[9] Das Werk stellt den Diktator als einen allsehenden Herrscher dar. Die Gesichtszüge bewegen sich in einem endlosen Kreis um ein statisches Zentrum. Die Beziehung zu Cragg ist nur eine oberflächliche, da er ebenfalls mit der Idee des verschobenen Profils arbeitet. Aber schon durch die Verschiebung der Achse, um die die Ellipsen rotieren, bekommt die Dynamik in Craggs Werken eine andere Qualität. Sie entwickeln sich im Raum fort; es existiert kein eindeutiges Zentrum. Jeder neue Blickpunkt auf die Skulpturen gibt auch neue Ansichten, ganz im Gegensatz zu Bertellis Porträt, das völlig einförmig bleibt, indem von allen Seiten jeweils dieselbe Erfahrung vermittelt wird. Überdies kann man bei Cragg kaum von idealisierten Gesichtszügen sprechen.

So wie Boccioni sich in seiner Skulptur mit einem Bewegungskonzept ähnlich dem Serpentinentanz von Loïe Fuller auseinander gesetzt hat, kann man auch den Skulpturen Craggs eine Nähe zu Tanz und Performance ansehen. Catherine Grenier bemerkt, dass, wie im Tanz, die suggerierte Bewegung in Craggs Skulpturen langsam oder wild, graziös oder monoton, selbstbewusst oder zögernd sein könne.[10]

Der Choreograph William Forsythe macht in seinem Projekt Synchronous Objects mit verschiedenen Darstellungsmodi der Video- und Computertechnik die choreographische Struktur sichtbar, die hinter seinem Stück One Flat Thing, Reproduced (2000) steht.[11] Durch die Möglichkeiten, die Bewegungen und Volumenverteilung im Raum von den konkreten Körpern abstrahiert zu betrachten, erschließen sich dem Betrachter neue Möglichkeiten, sich in die Choreographie hineinzudenken. Überdies kann er selbst zwischen den verschiedenen Modi der Darstellung wählen, um sich so aktiv mit dem Werk auseinanderzusetzen. So gesehen könnte man Forsythes und Craggs Arbeiten als verschiedene Möglichkeiten begreifen, Bewegung im Raum zu denken, dies zu materialisieren und dem Betrachter zugänglich zu machen.

Cragg geht es nicht mehr um eine figürliche Darstellung, auch wenn er Profile oder Flaschen als Ausgangsformen benutzt, sondern um den immer neuen Versuch, in seinen Skulpturen ein abstraktes Konzept von Bewegung im Vollzug zu erforschen. Boccionis Skulptur ist dagegen der Versuch einer Synthese vieler Bewegungen, um eine universelle Form der Bewegung zu kreieren.

Laut Robert Kudielka verfolgt Cragg ein grundsätzlich verschiedenes Konzept der Bewegung als der Futurist Boccioni, die nicht „vom Ort ihrer Entfaltung fortstrebt“. [Kudielka 2006: 205] Während der Futurist eine „Ortsveränderung“ anstrebe, wolle Anthony Cragg eine „Zustandsveränderung“ [ebd.] vermitteln. Die Darstellung von Bewegung bei Cragg ist damit weniger eine direkte, die nach vorn, in die Zukunft weist, sondern eine, die in Kreisen, im Hin-und-Her-Bewegen die Bewegung des Denkens selbst zu visualisieren versucht.

 

Das Denken der Bewegung wird in den beiden Skulpturengruppen in vielfältiger Form thematisiert. Die Metamorphose ist in der Werkgruppe Early Forms neu interpretiert und lässt sich als Transformationsprozess eines Dings in ein anderes begreifen. In den Rational Beings greift Cragg auf das Prinzip der Anamorphose zurück, entwickelt jedoch auch diese weiter. Insgesamt regen die Skulpturen den Rezipienten zu einer stetigen körperlichen und geistigen Bewegung an, um immer wieder neue Perspektiven auf diese vielschichtigen Werke einnehmen zu können.

 

 

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Elisabeth Heymer (Berlin) hat ihren Bachelor of Arts in Bochum in Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte absolviert. Seit 2012 studiert sie im Master Kunstgeschichte im globalen Kontext mit dem Schwerpunkt Europa und Amerika an der Freien Universität Berlin. Sie ist studentische Hilfskraft des DFG-Projekts „Verzeichnungen. Medien und konstitutive Ordnungen von Archivprozessen der Aufführungskünste“ (HZT Berlin/HMT Leipzig).

 

 

Literatur

Batchelor, David: „Flüssigkeitsbehälter“, in: Ausst.-Kat. Tony Cragg. Signs of Life, Kunst- und Ausstellungshalle Bonn, Düsseldorf 2003: 375-383.
Corradini, Nicola: „Boccioni, Umberto“, in: Allgemeines Künstlerlexikon, hg. von Günter Meißner, München – Leipzig 2000: 26-28.
Dehò, Valerio: „Metamorphosen“, in: Tony Cragg in 4D. Dal fluire alla stabilità, Ausst.-Kat. Museo d’Arte Moderna Ca’Pesaro, Venedig 2010: 47-55.
Grenier, Catherine: „Sculpting Thought”, in: Ausst.-Kat. Tony Cragg. Figure out, Figure in, Musée National du Louvre, Paris 2011: 57-66.
Huschka, Sabine: Moderner Tanz. Konzepte, Stile, Utopien, Hamburg 2002.
Lichtenstern, Christa: Metamorphose in der Kunst des 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2: Vom Mythos zum Prozessdenken. Ovid-Rezeption – Surrealistische Ästhetik – Verwandlungsthematik der Nachkriegskunst, Weinheim 1992.
Krauss, Rosalind: Passages in Modern Sculpture, Cambridge und London 1987 (5. Auflage).
Lista, Giovanni: „Skulptur. Das Kräftespiel zwischen konkreter Form und Stoff“, in: Ausst.-Kat. Sprachen des Futurismus. Literatur, Malerei, Skulptur, Musik, Theater, Fotografie, hg. von Gabriella Belli, Martin-Gropius-Bau, Berlin 2009: 168-173.
Pound, Ezra: „Gedankensplitter“, in: Ezra Pound: motz el son – Wort und Weise. Übersetzung von Eva Hesse. Zürich, 1957: 134-138.
Schmidt-Bergmann, Hansgeorg: Futurismus. Geschichte, Ästhetik, Dokumente, Hamburg 2009.
Schneede, Uwe M.: Umberto Boccioni, Stuttgart 1994.
Wood, Jon: Interview Jon Wood mit Tony Cragg, in: http://www.tony-cragg.com/texte/Tony%20Cragg%20interviewed%20by%20Jon%20Wood.pdf (aufgerufen am 13.02.2014): 1-4.

 

 



[1] „These become ‚species’ of work and so we get sculptures belonging to a certain family, and then there are other families, and then there are relationships between these families etc.“, Interview Jon Wood mit Tony Cragg, in: http://www.tony-cragg.com/texte/Tony%20Cragg%20interviewed%20by%20Jon%20Wood.pdf (aufgerufen am 13.02.2014): 1-4, hier: 1.
[2] „But generally you use the information you’ve gleaned out of recent sculpture making activities, and transfer it into the new works, so there’s a sort of ‘stepping forward’ going on as well.” Ebd.
[3] „ […] it’s possibly the way the world just developed biologically anyway: from simple cells developing into more complicated, specialized forms.” Ebd: 2.
[4] Der Künstler selbst bewertet seine Wahl ähnlich: „The first Early forms I made were based on chemical flasks, which I found interesting because they were very pragmatic, rational forms which had been developed out of their alchemical origins.” Ebd.: 1.
[5] Das Manifesto tecnico della scultura futurista wird 1911 veröffentlicht, vgl. Corradini 2000: 26.
[6] Mittels der Chronofotografie versuchte man Bewegungsabläufe wissenschaftlich zu erfassen. Durch die Vielzahl von Bildern, die pro Sekunde geschossen werden konnten wurden die Bewegungen in Segmente zerlegt und so neue Aspekte sichtbar, die das menschliche Auge sonst nicht wahrzunehmen vermochte, vgl. Philip Prodger (Hg.): Time stands still. Muybridge and the instantaneous photography movement, New York (u.a.) 2003. In welcher Weise die Fotografie und später der Film die Skulptur von der Avantgarde bis zur Gegenwart nachhaltig beeinflusst haben, thematisiert die Ausstellung lens-based sculpture. Die Veränderung der Skulptur durch die Fotografie in der Akademie der Künste Berlin, 24.01.-21.04.2014.
[7] „It allows him to become a disembodied intelligence circulating through an ideal space to grasp the thing from all sides at once, and to collapse this conceptual circumnavigation into a single, infinitely rich and complete moment of intellection.“ Krauss 1987: 45.
[8]“The voluminous masses that he produces are stretched towards lightness and movement.“ [Grenier 2011: 64]
[9] Giovanni Lista weist darauf hin, das Bertelli auf volkstümliche 360°-Porträts von Napoleon zurückgreift, die wiederum auf eine Episode von Plutarch über Julius Cäsar zurückgehen, welche besage, dass Cäsar sich mit mehreren Personen gleichzeitig unterhalten konnte, vgl. Lista 2009: 172f.
[10] „As in dance, the movement can be slow or frenzied, graceful or monotonous, confident or hesitant.“ Grenier 2011: 63.
[11] http://synchronousobjects.osu.edu (aufgerufen am 08.11.2013).