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Was vermag das Archiv? Artefakt und Bewegung

Franz Anton Cramer (Berlin)
Was der Körper vermag, ist auch dem Archiv gegeben: Bewegung sinnreich zu gestalten, „in Beziehung zu setzen“ und über das bloß Präsentische des „Da Seins“ zu erheben. Wie bei der Performance selbst ist aber auch im Archiv nichts selbst-verständlich. Erst die komplexe Struktur – der Umgang mit „dem, was da ist“ – verweist über sich selbst hinaus.

Archiv Werden: Das Projekt „re.act.feminism“ als Demonstration eines Zugangs zu Performance-Geschichte

Barbara Büscher (Leipzig / Köln)
Das Projekt re.act.feminism, von den Berliner Kuratorinnen Bettina Knaup und Beatrice E. Stammer initiiert, konzipiert und realisiert, hat über fünf Jahre in ausgreifender Weise erkundet, wie ein Anfang zu einem thematisch fokussierten Zugang zur Geschichte von Performance-Kunst gesetzt werden kann. Der thematische Fokus wie die Adressierung basieren auf einem aktuellen, neu konturierten Interesse an der Geschichte feministischer Positionen in der Kunst seit den 1960er Jahren. Die Kopplung der Formate Ausstellung, Sammlung, kontextualisierende, diskursive Veranstaltungen sowie Online-Präsentation erlaubte es, eine Reihe von Zugangsmöglichkeiten für unterschiedliche Nutzer_innenkreise durchzuspielen. Die Setzungen der Projektes sollen im Folgenden vorgestellt und diskutiert werden, wobei Fragen nach dem ‚Archiv Werden‘, nach dem Sammeln von (medialen) Artefakten und Spuren vergangener Aufführungen und dem Zugang zu ihnen in verschiedenen Präsentationsformen im Zentrum stehen werden.

Protest may be performance. Der #duranadam im Kontext des Projekts „re.act.feminism #2 – a performing archive“

Jasmin İhraç (Berlin)
Im Mai 2013 begannen in Istanbul die größten, spontan organisierten zivilgesellschaftlichen Proteste in der Geschichte der Türkei. Die Besetzung des Gezi-Parks im Zentrum von Istanbul und das Vorgehen der Polizei mit massivem Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern hatten sehr schnell zu einer breiten Solidarisierungswelle im gesamten Land geführt. Eine der dortigen Protestaktionen möchte ich im Folgenden zum Ausgangspunkt nehmen, um die Verschränkung von politischen und performativen Interventionen zu diskutieren. Um diese Aspekte zu beleuchten, setze ich die Artikulationsformate im Rahmen der Proteste in Bezug zum Projekt „re.act.feminism #2 – a performing archive“. Dabei beziehe ich mich auf die Website zum Projekt, auf der die Einträge des Archivs aufgeführt sind.

What has happened to this film? Über das Projekt „Living Archive – Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart“

Stefanie Schulte Strathaus (Berlin)
Mit seinen 8.000 Titeln spiegelt das Archiv des Arsenal – Institut für Film und Videokunst ein halbes Jahrhundert internationaler Filmkunst jenseits des Mainstreams anhand der lebendigen Geschichte einer Berliner Institution, die in ihrer Struktur weltweit einzigartig ist. In der Sammlung befinden sich Filme aus aller Welt, aller Genres, Längen und Formate. Das Arsenal versteht seine Sammlung als „Living Archive“ – ein Archiv, das nur in Bezug auf den Betrachter Bedeutung haben kann. Für das Projekt „Living Archive – Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart“ wurden über einen Projektzeitraum von zwei Jahren (2011–2013) 37 Künstler, Filmschaffende, Performer, Musiker, Kuratoren und Wissenschaftler, sowie vier Stipendiaten des Goethe-Instituts eingeladen, Projekte aus dem Archivbestand des Arsenal zu entwickeln. In der Umsetzung des Projekts wurde deutlich, dass Themen wie Forschung, Sicherung und Erhalt untrennbar mit heutigen Fragen zu Ausstellungspraxis, Kunstproduktion und Gegenwartspolitik verbunden sind. „Living Archive – Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart“ stellt damit den Versuch einer zeitgemäßen Archivaufarbeitung dar, die nicht nur dem Selbsterhalt dient, sondern gleichzeitig Neues schafft und Zugänge herstellt.