MEDIEN / TRANSFORMATIONEN

Phonographische Ereignisse

Jan Thoben (Berlin)
Phonographische Wiedergabe und Kategorien der Performativität scheinen zunächst einander auszuschließen, hat sich doch die Präsenz einer musikalischen Darbietung längst verflüchtigt, wenn sie von einem Tonträger abgehört wird. Die Annahme, eine Tonaufnahme repräsentiere eine Aufführung, ist illusionistisch. Sie basiert auf der Idee eines bedeutungsgenerierenden Systems, welches der Wiedergabe den Anschein eines Abbildes verleiht, jedoch die Signalebene nicht betrifft. Medien haben jedoch eine eigene Klanglichkeit, die Wahrnehmungsschwellen unterlaufen kann, aber gerade im Fall der Schallplatte hörbar ist. Darüber hinaus erzeugen die spezifischen Handlungsoptionen der Phonographie, etwa die Zeitachsenmanipulation, auditive Artefakte, die ausschließlich an ihr technisches Dispositiv gekoppelt sind. Der Aufführungscharakter dieser durch medientechnische Vorgänge erzeugten Klänge wird vor dem Hintergrund eines Urteils des Bundesfinanzhofs zur Besteuerung von DJ-Performances erläutert.

Komische Geräuschkomposition

Frieder Butzmann (Berlin)
In der Produktion von Kinofilmen werden Bild und Ton aus technischen Gründen separat behandelt: Es gibt die Bildkamera und auch das Tonaufnahmegerät. Auch in der Filmbetrachtung werden die Erörterungen über das bewegte Bild, die Narration, die Filmmusik, die Geräuschebene gerne als getrennte Diskurse geführt. Gleichzeitig gibt es im frühen 21. Jahrhundert eine weit verbreitete Faszination für mediale Übergänge, für Transmediales, Visuelle Musik oder speziell für die Ästhetik der Geräusche im Film. Im Zentrum der folgenden Betrachtungen stehen die oft sehr komischen Verschränkungen von visuellen Vorgängen und akustischen Ereignissen in Jacques Tatis Film PLAY TIME. Dabei wird ebenso genau hingehört, wie auch detailiert betrachtet, um musikalisch Visuelles und/oder visuelle Musik zu entdecken.

Exploring, Documenting, Archiving – Radio Web MACBA

Jens Heitjohann (Leipzig)
Ràdio Web MACBA (http://rwm.macba.cat) is an internet-radio, which was founded at the Museu d'Art Contemporani de Barcelona in 2006. Initially a platform for additional material for the museum's exhibitions, such as interviews with the artists or curators, the radio has developed a sophisticated program far beyond accompanying sounds and voices. Instead it has become a generator of its own content, which is on the one hand in depth and prolific exchange with the museum's exhibitions but on the other hand follows its own interests. The following email interview with Anna Ramos, the Project Coordinator and Webmaster of Ràdio Web MACBA, concerns the radio's specific program and its ideas and plans for the future.

Die Scheinbarkeit des "Live"

Wolfgang Ernst (Berlin)
Der Begriff „live“, wie er in Zusammenhang mit audiovisuellen Arrangements verwendet wird, bezieht sich weniger auf menschliche Verhältnisse, sondern beschreibt eine spezifische zeitliche Dimension medientechnologischer Übertragung. Die Frage „What is live“ wird daher eher unter medienarchäologischen und epistemologischen Aspekten untersucht. Worauf beruht die Gegenwarts-generierende Macht von Medien? Neo-kybernetisch gesehen bewegt sich die Untersuchung also von den Medien inhärenten performativen und dramaturgischen Fragen weg. Elektrisch generierte Kommunikation – in der angelsächsischen Medienwissenschaft gern „Hertzean media“ genannt – zeichnet sich gerade dadurch aus, Gegenwart (also „liveness“) herzustellen. Auf der kognitiven Ebene herrscht jedoch beim Menschen weiterhin das Bewusstsein von der Distanz vor, die symbolischen Codes wie Texten und Alphabet eignet. Daraus entsteht eine affektiv-kognitive Dissonanz.