SOUND / SZENEN

Trinklied und Echoraum

Wolf-Dieter Ernst (Bayreuth)
Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem chorischen Theater. Er rückt dabei die Frage nach der klanglichen Qualität der Aufführung ins Zentrum. Dabei werden zwei Beispiele vorgestellt, die zugleich zwei Richtungen des chorischen Theaters vorgeben. Das erste ist ein spontanes Trinklied, welches Studenten in einer Mensa einer Universität anstimmen. Der Klang ist hier polarisierend, wird verstörend und zugleich ansteckend. Dieser spontanen Aufführung im öffentlichen Raum wird ein Echoraum zur Seite gestellt, den der Regisseur Ulrich Rasche zum Jahrestag der Ausschreitungen im Stuttgarter Schlossgarten im Herbst 2010 inszenierte. Der Klang regt hier zur Reflexion und Erinnerung an, er distanziert vom Geschehen. Es geht also jeweils um eine ästhetische und zugleich soziale Frage: Inwiefern zieht der Sound des chorischen Sprechens und Singens den Zuschauer und Zuhörer ins Geschehen hinein? Vor dem Hintergrund der Ästhetik des Performativen und der neuen Phänomenologie wird die soziale Dimension der klanglichen Kommunikation entwickelt.

Das exzentrische Subjekt und die Maschine: Felix Kubin

Maximilian Haas (Berlin)
Der Hamburger Klang- und Performancekünstler Felix Kubin ist außer sich. Seine Kompositionen zwischen Pop und Neue Musik, seine Radioarbeiten, seine Live-Performances und nicht zuletzt sein Kleidungs- und Tanzstil verbinden sich zu einem Gesamtkunstwerk, das sich hysterisch gibt. Mit Verweis auf die Kulturgeschichte des Krankheitsbildes geht der Artikel dem Echo der Hysterie im Schaffen Kubins nach. Der Künstler ist aber keinesfalls passives Opfer der hysterischen Symptome, diese werden vielmehr kontrolliert herbeigeführt, instrumentalisiert. Kubin verwandelt das Erbe der Hysterie in ein Werkzeug der Hysterisierung. Als Komplizen in diesem Spiel von Besitzen und Besessenheit erscheinen Geister (lebende Tote, Wiedergänger) auf der einen und Maschinen (zumal alte Klangerzeuger) auf der anderen Seite – ahumane Handlungsinstanzen, die aus vergangenen Zeiten grüßen.

Steffi Weismann: Früher-Gestern-Vorher-Gerade-Jetzt ...

Steffi Weismann (Berlin)
Der folgende Text reflektiert meine künstlerische Praxis im Feld von Klang, Sprache und Performance, die den Live-Moment als Knotenpunkt mehrerer räumlicher und zeitlicher Ebenen begreift. Vor dem Hintergrund von Erfahrungen, die ich als Performerin mit Re-Enactments von Fluxus-Stücken und Kompositionen für Stimme und Körper von Dieter Schnebel gemacht habe, beschreibe ich den Weg zu meiner eigenen künstlerischen Position, die sich mit verschiedenen Formen des Live-Dialogs auseinandersetzt. Diese Entwicklung führt von der Kommunikation mit Maschinen und der Interaktion zwischen digitalen und menschlichen Stimmen zu den situativen und mobilen Audioperformances, die ich seit 2010 mit meinem Lautsprechergürtel "LapStrap" aufführe.

Mein Stadtteil als Notentext

Ulrike Krautheim (Tokio)
Tomomi Adachi (*1972) ist ein Künstler der jüngeren Generation in Japan, der mit Vehemenz und Ausdauer daran arbeitet, prozessorientierten Kunstformen im Bereich der Klangkunst und Performance eine Öffentlichkeit zu erschließen und ihre Aktualität zur Diskussion zu stellen. Auf der Basis eines Interviews mit dem Künstler beleuchtet der Text Adachis Sicht auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Fluxus und prozessorientierten Kunstbegriffen in Japan. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der ortsspezifischen Musikperformance "NUo – The Fish Market for Tubas, Cars, Musical Instruments and Chorus with Negimanabe", die Adachi im Oktober 2011 auf dem Fischmarkt im Tokioter Bezirk Adachi realisierte.