Prozessorientierte Kunstformen in der DDR

Kritischer Rückblick auf aktuelle Ausstellungspraktiken

Britt Schlehahn (Leipzig)

 

 

 

 

2009 fand eine Vielzahl an Ausstellungen statt, die sich im zwanzigsten Jahr der politischen Wende in Ostdeutschland mit der Kunstproduktion in der DDR beschäftigten. Dabei reichte das Spektrum von hochoffiziellen Bildwerken bis zur oppositionellen künstlerischen Praxis. Ausgehend von den Ausstellungen Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen 1945 – 89 (Deutsches Historisches Museum) und Poesie des Untergrunds. Die Literaten- und Künstlerszene Ostberlins 1979 – 1989 (Prenzlauer Berg Museum) in Berlin sowie 60 – 40 – 20. Kunst in Leipzig seit 1949 (Museum der bildenden Künste Leipzig) und Ohne Uns! Kunst und alternative Kultur in Dresden vor und nach `89 (Motorenhalle Dresden) soll im Folgenden der besondere Fokus auf die Thematisierung und Präsentationsformen prozessorientierter Kunst gelegt werden.

Dies scheint umso dringlicher, da im Gefolge der Ausstellungen eine Reihe von Auseinandersetzungen stattfanden und stattfinden, die eine neue Form von Inbesitznahme von Geschichte(n) zu Tage befördern. So beispielsweise geschehen auf der Tagung 8060 Dresden / 7050 Leipzig / 9040 Karl-Marx-Stadt. Nonkonforme Kunst und alternative Kultur in Sachsen vor 1989 (14. bis 15. Januar 2010) im Rahmen der Dresdner Ausstellung Ohne Uns!. Dem Streit zwischen den Kunstwissenschaftlern Eckhart Gillen und Christoph Tannert, wer die Sprecherrolle zur Geschichte in der DDR einnehmen darf und/oder kann, gingen die Äußerungen Tannerts voraus, mit denen er die Ausstellung Poesie des Untergrunds eröffnete. Dabei stellte er fest, dass diese Ausstellung wie auch die Dresdner Ohne Uns!-Ausstellung Möglichkeiten darstellen, um „Deutungshoheit über unsere eigene Geschichte zurückzugewinnen“.[1] „Unsere eigene Geschichte“ meint nichts anderes als die Erzählung und Darstellung einer Person, die die Ereignisse als Zeitzeuge erlebte. Dieser Ausschlusseffekt bezieht sich in letzter Konsequenz nicht nur auf Personen aus den sogenannten alten Bundesländern, sondern auch auf nachfolgende Generationen.[2] Ein Konflikt, der die Rezeption nicht unwesentlich bestimmt, wie die Rezension zur Ausstellung Kunst und kalter Krieg der Marburger Kunsthistorikerin Sigrid Hofer zeigt. Ihr Text veranschaulicht, wie verschieden Sprecherpositionen und Wissenskontexte nach wie vor wirken und welche Gefahren des Ausschlusses dadurch entstehen. Sie hält als besonderes Kennzeichen der Ausstellung fest:

[w]eniger bekannt hingegen sind die Werke, die für die Sowjetisch Besetzte Zone und DDR ausgewählt wurden. Neben den Vertretern der Leipziger Schule, die ab den 1970er Jahren von offizieller Seite in den Westen gesandt wurden, und die bereits für eine freiere Auffassung vom Sozialistischem Realismus in Anspruch genommen wurden, wurden etwa mit Hartwig Ebersbach, Lutz Dammbeck, Robert Rehfeldt oder den Autoperforationsartisten Positionen einer heftigen und subjektiven Kunstsprache vorgestellt, die sich in den 80er Jahren mehr oder weniger im Untergrund entfaltet hatten. [Hofer 2009: 602]

Die von ihr genannten Beispiele stellen keine unbekannten Arbeiten und Künstler/innen dar, sondern dienen seit Jahrzehnten als Beispiele für Kunst aus der DDR.

Hofer bedient sich wie auch Inke Arns in ihrem Beitrag zur Kunst in Ostdeutschland in „EAST ART MAP“ [IRWIN 2007] oder Piotr Piotrowski in seinen Ausführungen zu Kunst und Avantgarde in Osteuropa [Piotrowski 2009] einem bis heute gut dokumentierten Kanon offizieller Kunstgeschichtsschreibung, der prozessorientierter Kunst einen verschwindend geringen Platz einräumt und so ein Bild von Kunst in der DDR bis 1989 prägt, das der offiziellen Geschichtsschreibung in der DDR verblüffend nahe kommt.

 

Die Jubiläen und die Ausstellungen 2009 markieren einen weiteren Höhepunkt in der Auseinandersetzung zur Kunst in Ost- und Westdeutschland vor 1990. Sie künden von Authentizitäts- und Erbverwalterfragen ebenso wie sie die eigenen, selektiven Erinnerungs- und Vergessenspolitiken mehr oder weniger empfindsam gegeneinander ausspielen; dies wird besonders in retrospektiv angelegten Ausstellungen für prozessorientierte Kunst deutlich.

Es stellen sich daher eine Reihe von Fragen zur Aufarbeitung dieses Typs von künstlerischer Produktion in der DDR, der seinem Wesen nach bereits in der Entstehung den traditionellen Konservierungs- und Vermittlungskonzepten konträr gegenübersteht:

Wie erfolgt Auswahl und Präsentation von Kunstwerken? Welche Ereignisse finden wie Eingang und in welcher Form werden sie verhandelt? Welche Archive stehen zur Verfügung, um Ereignisse zu reinszenieren bzw. zu rekonstruieren?

Und welche Rolle, vor allem welche Gestalt nehmen prozessorientierte Kunstformen in den unterschiedlichen Ausstellungsformaten ein? Welche Verbindungen werden zwischen den unterschiedlichen Kunstgattungen hergestellt? Welche Bedeutungszuschreibungen und Deutungsmuster existieren im Abstand von zwanzig Jahren? Welche Überlagerungen finden statt und welche Formen der Stereotypisierung treten auf? Welche Kontexte entstehen oder unterbleiben zwischen ost- und westeuropäischer Kunstgeschichtsschreibung?

 

 

Kalter Krieg in der bildenden Kunst

Die Ausstellung Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen 1945 – 1989, kuratiert von Stephanie Barron (Los Angeles County Museum of Art) und Eckhart Gillen (Kulturprojekte Berlin GmbH), war 2009 zuerst im Los Angeles County Museum of Art zu sehen, dann im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und bis Januar 2010 im Deutschen Historischen Museum Berlin. Sie zeigte Arbeiten von über einhundert Künstlern und ungefähr zwanzig Künstlerinnen aus Ost- und Westdeutschland. Sie führte Altbekanntes und bisher oft Gesehenes erneut zueinander und kombinierte es chronologisch in vier Zeitepochen: „1945 – 1949 Kontinuität oder Neubeginn?“, „1950 – 1959 Streit um das Menschenbild“, „1960 – 1979 Zeitgenossenschaft – Trauma der Vergangenheit“, „1980 – 1989 Wahnzimmer Deutschland“.

Gemäß der Chronologie tauchen prozessorientierte Kunstformen wie Happening und Fluxus in der Abteilung 1960 – 79 auf. Hier wurden Fotodokumentationen, Filme und Objekte auf engstem Raum angeordnet, sodass die räumliche Nähe zwar inhaltliche Zusammenhänge hätte schaffen können, diese sich aber in der konkreten Ausstellungssituation nicht herstellten. Stattdessen existierten die verschiedenen Exponate von Aufführungen solitär und verhinderten die Konzentration auf die historischen Verläufe und Prozesse der Aufführung von Kunst. So dokumentieren beispielsweise die Fotostrecken von Heinrich Riebesehl das Festival der neuen Kunst in Aachen am 20. Juli 1964 mit Joseph Beuys, Bazon Brock, Stanley Brouwn, Henning Christiansen, Robert Filliou, Ludwig Gosewitz, Arthur Koepcke, Nam June Paik, Tomas Schmit, Emmett Williams und Wolf Vostell sowie die Aktion 24 Stunden von Ute Klophaus am 5. Juni 1965 in der Wuppertaler Galerie Parnass mit Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik, Eckart Rahn, Tomas Schmit und Wolf Vostell.

Ein ausführlicher Katalogbeitrag beschreibt zum wiederholten Male die Ereignisse in Aachen und Wuppertal. [Langston 2009] Den Fotodokumentationen waren im Ausstellungskontext keinerlei Ergänzungen beigefügt. Sie sollten als authentische Zeugnisse wirken. Daher sind Fragen nach Inszenierung oder gar Lesbarkeit von künstlerischen Aktionen im Heute ausgeschlossen. Eingebunden in dieses Ausstellungszeitfenster findet sich gemeinsam mit den Filmen und Performance-Dokumentationen von Wolf Vostell Sun in your head (1963), Joseph Beuys Filz-TV (1970), Imi Knoebel Projektion (1971), Rebecca Horn Bleistiftmasken (1972) auch die Arbeit Achtung Aufnahme von dem Westberliner Künstler Wolf Kahlen; in der Berliner Beschilderung war sie auf das Jahr 1963 datiert.[3] Tatsächlich fand die Aktion am 1. Februar 1980 im Rahmen der Ausstellung Licht-Bezeichnungen von Wolf Kahlen in der Privatgalerie von Jürgen Schweinebraden[4] in Ostberlin statt. In dem konkreten Ausstellungskontext verweist diese Beschilderung auf eine harmonisierte Geschichtsschreibung, die die Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland zugunsten einer westlich geprägten Ereignisgeschichte aufhebt. Gleichzeitig entstanden zu Beginn der 1970er Jahre durchaus künstlerische Filmarbeiten in der DDR – wie die gemeinsamen Filme von Wolfgang Opitz und A. R. Penck[5], die in der Ausstellung nicht zu sehen waren.

 

Inszenierung und Lesbarkeit

Die Aktion Achtung Aufnahme (1980) wiederum gilt als erste Videoperformance in der DDR.[6] Wolf Kahlen filmt mit einer Videokamera das Geschehen im Galerieraum und ruft in zeitlichen Abständen „Achtung Aufnahme“. In dem Moment verweilt das von der Videokamera aufgezeichnete Bild auf einem Monitor als Standbild und wird u.a. von Penck auf einer vor dem Monitor befindlichen Glasscheibe übermalt. Im Katalog findet sich eine Kurzbeschreibung des Videotapes verbunden mit den Worten:

1980 nutzten Kahlen und Penck die Möglichkeiten von Video, sowohl als Format für kollektive künstlerische Experimente als auch für subversive politische Aktionen dienen zu können. Achtung Aufnahme war nicht nur die erste, heimlich gedrehte Performance im Osten, sondern, als eine kollaborative, intermediale Performance von Ost und West, auch ein Ereignis, das den Autoritarismus der DDR unterminierte. [Kovach 2009: 348]

Diese Form der Be- und Zuschreibung unterlässt sowohl die Kontextualisierung der Aktion mit anderen künstlerischen Arbeiten noch hinterfragt sie die Wirkung und Rezeption.

Eine Möglichkeit der differenzierten, inhaltlichen Analyse bietet eine Version des Videotapes, das sich im Videoforum des Neuen Berliner Kunstvereins befindet. Darin rekonstruiert Wolf Kahlen die Aktion vor den Aufzeichnungen in der Galerie aus dem Jahr 1980.[7] So ist in dieser Form des Gedächtnisprotokolls u.a. zu erfahren, dass Kahlen die Videotechnik nicht aus West- nach Ostberlin transportierte, sondern die „tarngrüne Apparatur von einem NVA-Psychologen“ stammte.

Während im Zeughaus die Videoaufzeichnung der Aktion zu sehen war, fand sich in der Ausstellung Poesie des Untergrunds mit einer Mappe aus der von Jürgen Schweinebraden herausgegebenen Edition „Achtung Aufnahme“ aus dem Jahr 1980 ein weiteres sehr wichtiges Zeugnis der Aktion, das allerdings in einer Vitrine auslag und so nur eine begrenzte Einsicht vermittelte. Doch verweist diese Art des Ausstellens wiederum auf mehrere Aspekte, die leider in der Ausstellung Kunst und kalter Krieg – abgesehen von der falschen Datierung – keine Rolle spielten.[8] In einem Land, in dem zu Beginn der 1980er Jahre Videotechnik weder im Alltag noch in der künstlerischen Produktion eine Rolle spielte, mussten andere Wege der Vermittlung gefunden werden. Die Mappe umfasst daher eine Fotodokumentation der Aktion, eine Musikkassette des Mitschnitts der auditiven Ebene sowie die Übermalungen von Ralf Winkler (A. R. Penck), Jürgen Böttcher, Thomas Ranft und Erhard Monden. Nicht nur, dass sich hierbei die Aktion keineswegs auf Kahlen und Penck konzentriert, sondern sie zeigt auch den Umgang mit prozessorientierter Kunst im historischen Kontext.

Die Ausstellung Poesie des Untergrunds dokumentierte noch weitere Aktionen. So beispielsweise eine Tafel von Erhard Monden aus dem Jahr 1982, auf der mit der für ihn typischen Schablonenspritzmalerei auf Zeitungspapier in Anlehnung an Joseph Beuys zu lesen ist:

Bestimme dich selbst! Sei ein Künstler, indem du dich als freies kreatives Wesen erkennst! Ich bin Erhard Monden 02.04.1982.

Seit 1977 realisiert Monden Zeit – Raum – Bild – Realisationen[9], bei denen der Verlauf der Aktionen in Fotostills aufgeteilt und mit Schablonenspritzmalerei zu Aktionszeit und Übermalungen versehen wird, die als Verweisstücke zum Prozess dienen. Neben Monden stellt die Ausstellung mit Kurzlebensläufen und einigen Aktionsfotografien weitere Akteure wie Gino Hahnemann (1946-2006) oder Matthias Holst [BAADER] (1962-1990) vor, wie auch einen Stadtplan von Ostberlin, der „Orte, an denen halb legale und illegale Lesungen, Ausstellungen, Performances und Konzerte stattfanden“[10] zeigt. Darüber hinaus sind Artefakte der Performances Fotografieren verboten von Kurt Buchwald zu sehen. Ein Schild zur Aktion, ein Video von einer Aktion auf dem Potsdamer Platz am 2. Dezember 1989 sowie Utensilien (Dokumentationsfotografien, Verweis- und Assoziationsbilder und ein Fotoapparat) sind in einer kleinen Vitrine als einsehbares Archiv ausgestellt. Neben diesen Artefakten thematisieren Zeitzeugen-Interviews[11] aus den Jahren 2008-09 offizielle und individuelle Erinnerungspolitik. Inoffizielle Zeitschriften und Publikationen, die nicht in Vitrinen ausliegen und so direkten Einblick gewähren, stehen neben einem Strategiepapier zum Umgang mit den Autoren eines Arbeitsheftes für die Akademie der Künste vom 15. Februar 1982, formuliert vom IM David Menzer (Sascha Anderson) an das Ministerium für Staatssicherheit.

Derartige Zugriffe auf Geschichte und Akteure fehlen in der Ausstellung Kunst und kalter Krieg ebenso wie beispielsweise die Arbeiten der Clara Mosch-Gruppe, die in ihren zahlreichen Pleinairs künstlerische Aktionen initiierten. Dies ist umso bedauerlicher, da einerseits den klassischen Kunstgattungen im Verhältnis zu prozessorientierten Arbeiten ein überdimensionaler Raum zur Verfügung stand. Andererseits vermeidet die Absenz auch den dadurch möglichen Vergleich der künstlerischen Produktionen in Ost- und Westdeutschland. Es fehlten daher nicht nur Akteure, sondern auch die zahlreichen Konflikte um Aktionsformen zu Beginn der 1980er Jahre. So stellte die Ausstellung von Erhard Monden in der Ostberliner Galerie „Arkade“ den Auftakt für eine intensive Debatte zum Umgang mit den Medien im Kunstfeld und einer Erweiterung des Kunstbegriffes dar. [Ivan 1981; Raum 1982; Blume 1982; Pachnicke 1982] Ein weiterer wichtiger Aspekt im Umgang mit prozessorientierter Kunst stellt die Frage der subjektiven Beurteilung dar und damit der (Um)Bewertung, die in den Ausstellungen nicht gestellt wurde. Als ein Beispiel kann die erste offizielle Performance in der DDR 1979 in der Galerie „Arkade“ und ihre Wahrnehmung durch Eugen Blume dienen. Blume, der damals als Praktikant in der von Klaus Werner geleiteten Galerie des Staatlichen Kunsthandels arbeitete, beurteilt 1996 die Aktion so:

Die von den Mosch-Künstlern in die DDR-Kunst eingeführten aktionistischen Momente, die sich im wesentlichen innerhalb der Pleinairs abspielten, waren importierte Kunstformen, die keinerlei geistige Voraussetzungen in der DDR-Gesellschaft hatten, und die sich trotz der kunsthistorischen Versuche, eine gewisse Entwicklungslinie aufzuzeigen, nirgends anlehnen konnten. Deutlich wird dies an der ersten offiziellen Performance, die Gregor-Torsten Schade (Kozik) unter dem Titel Das schwarze Frühstück anlässlich seiner Ausstellungseröffnung in der Galerie Arkade 1979 in Berlin aufführte. Die im schwarzausgeschlagenen Schaufenster schwarz in schwarz inszenierte ›Performance‹ geriet zum biedermeierlichen Zauberstück. [Blume 1996: 735]

2009 notiert Eugen Blume rückblickend auf dieses Ereignis:

Tief beeindruckt vernahm ich, wie nach der nur wenige Minuten dauernden Veranstaltung der gewichtige Kunstexperte Lothar Lang Klaus Werner zur ersten Performance in der DDR-Kunstgeschichte gratulierte. Ich war offenbar Zeuge eines historischen Ereignisses geworden. [Blume 2009: 14]

Der gewandelte persönliche Zugriff auf eine historische Situation geht in diesem konkreten Fall einher mit Umdeutungen, die für die zeitgenössische Rezeption wiederum neue Aspekte eröffnen, die zukünftig Initiatoren und Publikum in einem größeren Maße einbeziehen muss.

Die Ausstellungen Kunst und kalter Krieg sowie Poesie des Untergrunds offenbaren auch die Schwierigkeiten im Umgang mit Geschichten, Artefakten und Archiven, die sich zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR offensichtlich immer noch in getrennten Segmenten vollziehen statt in einer vergleichenden Rekonstruktion. Diese Form der Aufarbeitung schreibt damit Konflikte aus der Zeit vor 1989 bis in die Gegenwart fort. Sie führt deshalb nicht nur zu personellen Konflikten um An- und Aberkennung künstlerischer Leistungen, sondern zu einem Verlust an Materialien und Zeitzeugenwissen, das sich jenseits von offiziellen und inoffiziellen Veröffentlichungen im Kunstprozess selbst findet.

 

 

Archivierte Kunst oder Optionen von Re-Inszenierung

Ein anderer Umstand, der sowohl die Rezeption von künstlerischen Arbeiten stark einschränkt als auch den Prozess und die Kontextualisierung während der Entstehung einer künstlerischen Arbeit stark in Vergessenheit treten lässt, spielte in der Ausstellung Kunst und kalter Krieg ebenfalls eine Rolle. Der Videomitschnitt zur Mediencollage REALFilm vom 14. Mai 1986 von Lutz Dammbeck konnte nur über einen Audioguide gehört werden. Neben dem Mitschnitt fand sich in einer Vitrine teilansichtig die Partitur zur Aktion. [Dammbeck um 1986, 1987, 1997] 1982 begann Dammbeck mit der Arbeit am „Herakles-Konzept“, das zunächst als Film geplant war, jedoch keine amtliche Genehmigung erhielt. So entwickelte Dammbeck aus dem Verbot eine neue Form der Aufführung, die die filmische Methode in den direkten Aufführungsraum übersetzte. Gekoppelt mit Filmvorführungen (8mm, 16mm, 35mm), Diaprojektionen, Live-Musik, Tanz von Fine Kwiatkowski und Textrezitationen entstand eine Mediencollage, die in der musealen Präsentation der Berliner Ausstellung ihre Vielschichtigkeit verlor. Wie kann aber innerhalb von Ausstellungssituationen für die Materialfülle und die historischen Aufführungsweisen eine angemessene Form gefunden werden, um retrospektiv einen Eindruck von der Arbeitsweise zu geben?

 

 

Künstlerarchive

Für die Ausstellung 40jahrevideokunst.de:revisionddr im Museum der bildenden Künste Leipzig (25. März - 21. Mai 2006) entwarf Lutz Dammbeck eine spezifische Form des musealen Zugangs zu seinen Mediencollagen. Der Künstler errichtete eine Rauminstallation in einem Cube mit dem Titel Herakles Konzept, die als Materiallager der Jahre 1982 bis 2006 fungierte. Die Installation basierte auf dem Archiv des Künstlers, den Arbeitsmaterialien zum Herakles Konzept sowie den Mediencollagen La Sarraz, Herakles, REALFilm und weiteren Filmprojekten[12]. In diesem Schauarchiv fanden sich Texte[13], Requisiten, Musikaufnahmen, künstlerische Materialien – wie Erde, vernähte Fotoleinwände und Weidenruten –, historische Filmausschnitte, Diaprojektionen[14], Videomitschnitte von Aufführungen und Proben[15] sowie konkrete technische Artefakte (Schneideplatz, Leuchtkasten). Der Raum und die Präsentation der Materialien verwiesen wiederum auf konkrete, historische Aufführungen der Mediencollagen wie der REALFilm, da dabei der Filmraum als Filmhöhle auftrat. Dieser vom Künstler selbstbestimmte Zugang zu Material und historischer Aufführungspraxis kann als eine Möglichkeit der Re-Inszenierung und Archivierung prozessorientierter Kunst gesehen werden, die Materialien sichern und einen Einblick in die Arbeitsweisen und Selektionsprinzipien der künstlerischen Produktion gewähren. Weitere Schritte zur Re-Inszenierung können in diesem Fall Verlinkungen zu Werken und Archiven anderer Künstler/innen darstellen, die ebenfalls intermedial arbeiteten.

 

 

Inszenierte Dokumentation

Eine andere Form der Archivierung von Aktionen und bewegten Bildern fand sich in der Ausstellung 60 – 40 – 20. Kunst in Leipzig seit 1949 im Museum der bildenden Künste Leipzig (4. Oktober 09 - 10. Januar 2010). Jörg Herold inszenierte unter dem Titel „DIALOGEIN“ die Geschichte der Galerie EIGEN+ART der Jahre 1983 bis 2009. Wie Dammbeck ordnet auch Herold in einem Raum unterschiedliche Materialien an. So etwa überdimensionale skulpturale Objekte in Form eines „A“ und „E“ von Ernst Goldberg[16] aus dem Jahr 1989, deren Oberflächen Schwarz-Weiß-Fotografien der Ausstellungen, Eröffnungen und Aktionen in der Galerie zeigten. Auf tonlosen Flachbildschirmen war Filmmaterial aus dem Historischen Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig und dem Videoarchiv der Galerie zu sehen. Letzteres verfügt über einen Bestand von 30 DVDs[17] aus den Jahren 1985 bis 1992, die Ausstellungen und Performances in der Galerie, Ausstellungseröffnungen, aufgezeichnete Schmalfilme von Künstlerinnen und Künstlern sowie Mitschnitte aus dem Alltagsleben der Galerie dokumentieren. Ein Vorhang in der Mitte des Raums diente als Projektionsfläche von künstlerischen Videos und Filmarbeiten. Da der Vorhang in Form einer Gardinenstange mit Gardinen und Vorhängen keine weiße Projektionsfläche darstellte, waren die bewegten Bilder nur sehr beschränkt wahrnehmbar. In der Präsentation des Videomaterials verzichtete Herold auf die Audiospur, sodass nur die bewegten Bilder im dunklen Raum erschienen.

Diese Form der Auseinandersetzung mit historischen und zugleich auch künstlerischen Film- und Aktionsmaterialien stellt sich auf mehreren Ebenen als höchst problematisch dar. Zum einen inszeniert ein Künstler der Galerie EIGEN+ART sowohl die Geschichte als auch die Person des Galeristen Gerd Harry Lybke[18]. Im Gegensatz zu dem Schauarchiv von Dammbeck tritt das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Künstler und Galeristen. Zum anderen fand sich innerhalb der Ausstellungssituation kein Raum, um die Arbeiten aus dem Archiv vollständig sehen zu können.

Neben der inszenierten Ausstellung von Archiven im musealen Kontext gibt der Film Behauptung des Raums. Wege unabhängiger Ausstellungskultur in der DDR von Claus Löser, der u.a. Archivbestände der Galerie EIGEN+ART in seine Arbeit einbezog, Auskunft zur Aufführungs- und Ausstellungspraxis prozessorientierter Kunstformen. Damit bietet er eine Möglichkeit, um Ausschnitte von Aktionen der Installation von Herold mit Tonspur sehen zu können. Dem historischen Film- und Videomaterial stellt Löser Interviews mit Zeitzeugen zur Seite, die die angestrebte Dokumentation allerdings verkehren zu einer ebenfalls sehr subjektiven Aufarbeitung ohne Verlinkung zur offiziellen (Kunst-) Geschichtsschreibung. Zudem verharren die Ausführungen im Zirkel der Geschehnisse und Personen ohne Vermittlungsanstrengungen in die Gegenwart.

 

 

Wiederholte Aufführung

„Als die DDR noch existierte, war Performance dort absolut verpönt.“ [Jappe 1993: 60] So bilanzierte Elisabeth Jappe in ihrem Handbuch zur europäischen Aktionskunst. Daher nehmen ihre Ausführungen zu Aktivitäten in der DDR nur eine Seite ein und bilden damit im Vergleich zu den anderen ehemaligen Ländern des sogenannten Ostblocks die kleinste Gruppe.

Namentlich erwähnt Jappe nur die Autoperforationsartisten Micha Brendel, Else Gabriel, Rainer Görß, Via Lewandowsky sowie Matthias Jackisch von der Gruppe Meier. Sie stellt zudem fest, dass vor allem den Autoperforationsartisten nach 1989 ...

... von ihren westlichen Kollegen vorgeworfen [wurde], sie hätten sich das alles nur von Nitsch, Rainer, auch von Beuys abgeguckt. Das sind vordergründige Vorwürfe; auch wenn diese Arbeiten, zwanzig Jahre später, eine ähnliche Ästhetik zeigen, so liegen doch dahinter ganz andere künstlerische Beweggründe (die Künstler konnten in der Zeit, als sie diese Arbeiten machten, auch kaum Kenntnisse ihrer angeblichen Vorbilder haben). [Jappe 1993: 61]

Nicht nur für Jappe sind Brendel, Gabriel, Görß und Lewandowsky seit Anfang der 1990er Jahre die Vorzeigeperformancekünstler/innen der DDR. Sie tauchen in jedem Handbuch und in fast allen Ausstellungen zur Kunst in der DDR auf. Damit bilden sie eine Art Gegenfront zu den sogenannten Staatskünstlern wie Bernhard Heisig, Werner Tübke oder Willi Sitte. Gleichzeitig ist allerdings das Phänomen der direkten Musealisierung dieser Gruppe zu beobachten, die mit der Ausstellung Bemerke den Unterschied in der Kunsthalle Nürnberg (11. April - 5. Mai 1991) begann. Die Aktionen der Gruppe fanden 1985 bis 1991 statt. Mit der Ausstellung in Nürnberg etablierte sich eine Form der Darstellung von Performances und Objekten, die bis in die Gegenwart fortwirkt. Wie dort waren in der Ausstellung Kunst und kalter Krieg die Performance-Utensilien in Vitrinen zu sehen, die keine direkte Zuordnung zu Performances und Filmen zuließen. Diese Form der musealen Aufarbeitung fand bereits in der Ausstellung Ordnung durch Störung 2006 in Dresden[19] statt. Wie schon dort ergänzten auch in der Berliner Ausstellung Filme die Präsentation der Objekte. „Trichinen auf Kreuzfahrt“, „Herz, Horn, Haut, Schrein“ und „Sublime Liebe“ waren ohne Angaben zu Kamera und Schnitt in den digitalisierten Versionen der jeweiligen Originalaufnahmen (S-8-, 16mm-Film sowie VHS) zu sehen. Dabei vermischte sich Dokumentationsmaterial mit inszeniertem Filmmaterial in der Ausstellungssituation, sodass die spezifische Arbeits- und Aktionsweise nicht thematisiert wurde. Das Verständnis und die Entschlüsselung aus dem historischen Kontext heraus wird dabei ebenso ausgeschlossen wie die Unterscheidung von Dokumentation und inszeniertem Film bzw. inszenierter Fotografie.

 

 

Untergrund als Basis

Die Ausstellung Ohne Uns! Zur Kunst und alternativen Kultur in Dresden vor und nach ´89 basierte auf dem Konzept „anhand der Entwicklung Dresdens erstmals und in umfassender Weise die widerständige ›andere Kultur‹ in der DDR“[20] aufzuzeigen und „lebendige Vergegenwärtigung der ostdeutschen alternativen Kultur als kultureller Voraussetzung für die Entstehung einer politischen Opposition in der DDR“ darzustellen. Dabei konzentrierten sich die Kuratoren Frank Eckhardt und Paul Kaiser auf „Akteure und Phänomene der bildenden Kunst“. Die Ausstellung selbst bildete eine Collage aus „historischen Objekten und Artefakten“, die durch „zeitgenössische künstlerische Arbeiten ergänzt und kontextualisiert“ wurden.

Inhaltlich gliederte sich die Ausstellung nicht explizit chronologisch, sondern nach inhaltlichen „Clustern“: Secession, Konstruktionen der Erinnerung (Retrospektiv-Reflexion, Dynamik der Eigengeschichten, Historisierungsmodelle, Erinnerungspolitik, Diskursmacht), Tugendterror, Anti-Helden, Rhizom, Protest!, Interferenzen (Grenzüberschreitungen, intermediale Projekte, Musik, Tanz, Aktion, Film, Performance, Literatur). Susanne Altmann kuratierte den Ausstellungsexkurs Hab ich Euch blendend amüsiert? – Weibliche Subversion in der späten DDR-Kunst.

Aktionskunst in Dresden greift – wie bereits in Berlin und Leipzig – auf die gut dokumentierten Arbeiten der Autoperforationsartisten zurück. Den räumlichen Auftakt bilden innerhalb der Ausstellungssituation das Plakat der „Menetekel“-Ausstellung (Dresden, Galerie Nord, Januar bis Februar 1989) und eine überlebensgroße Fotoreproduktion von Via Lewandowsky und Micha Brendel aus ihrer Aktion Panem et circensis (28. und 29. Oktober 1988) in der Hochschule für bildende Künste Dresden.

Andere Arbeiten – wie die Schwarz-Weiß Aktionsfotografien der Serie Vorgang von Frank Herrmann aus dem Jahr 1984 – fanden nicht nur zeitlich vor den Autoperforationsartisten statt, sondern hätten neue Perspektiven auf unterschiedliche und bisher kaum bekannte Aktions- und Präsentationsformen eröffnen können.

Ebenso wie Jörg Herold in Leipzig verarbeitet Rainer Görß in seiner Arbeit Bildstörung (1989/ 2009) historische Ereignisse durch die inszenierte Dokumentation der Frühlingssalons an der Dresdner Kunsthochschule. Im Zusammenschluss von historisch-dokumentarischen Material mit inszenierten Aufführungen entsteht ein Amalgam im bewegten Bild, das historische und künstlerische Aufführungspraxen miteinander verbindet.

Eine andere Form des Zugangs zu prozessorientierten Kunstformen zeigt die Arbeit von Holger Stark. Hier überlagern sich Fotografien, die, als Diashow präsentiert, einen Bewegungsfluss zwischen den unterschiedlichsten Ereignissen und künstlerischen Aktionen simulieren. Den Bildern zur Seite gestellt ist eine Auflistung von Performances, die leider nicht über die Bezeichnung und Datierung hinausgeht und so eine Zuordnung von Bild und Aktion unterlässt.

Im Handbuch zur Aktionskunst von Elisabeth Jappe wird neben den Autoperforationsartisten als zweite Künstlergruppe aus der DDR auch die Gruppe Meyer genannt. Ihre Arbeiten in Form von Aktionsfotografie und Katalog sind lediglich in einer Vitrine zu sehen. Das Festival Intermedia I – Jazz in Coswig – Klangbild/ Farbbild, das vom 1. bis 2. Juni 1985 in Coswig stattfand, wird in einem Extraraum präsentiert. Die dort gezeigten acht Faltrollos als Teil der 1985 im Coswiger Klubhaus von ungefähr 40 Künstlerinnen und Künstlern formierten Installation im Raum lassen nur schwer erahnen, welche intermedialen Ausmaße die Veranstaltung damals hatte. Christoph Tannert erinnert dazu: „Die bemalten Faltrollos waren die Translations der Aktionen und das, was zwischen den Gitarrensaiten hing, Vergrößerungen und Vergröberungen der Filmbilder auch oder das Einfrieren von Performancefragmenten. Eins übersetzte das andere. Klang beglaubigte Bild und umgekehrt.“ [Tannert 1993: 226] Die acht ausgestellten Dokumentationsfotografien sowie das Sonderheft von „u.s.w.“[21] mit Tonkassette in einer Vitrine können nur einen sehr beschränkten Eindruck dieser Aktion vermitteln.

 

 

Was nun?

Auffällig in der von dem Kuratorenteam der Ausstellung Kunst und kalter Krieg vorgenommenen Selektionen und Betonungen der klassischen Kunstgattung vor allem seitens der künstlerischen Produktion in der DDR ist der Umstand, dass die Ausstellung hinter den aktuellen Forschungsstand zurückfällt. Die beispielsweise von Eckhart Gillen als Mitherausgeber der Zeitschrift Niemandsland vor 1989 oder den Publikationen Kunst in der DDR (Köln 1990), Kunstdokumentation SBZ/DDR sowie Kunstkombinat DDR[22] geleistete detaillierte Schilderung prozessorientierter Kunst werden in Kunst und Kalter Krieg kaum berücksichtigt.

Die Ausstellung hätte in ihrer gewollten Gegenüberstellung von ost- und westdeutscher Kunst auf die vielen Konflikte auch innerhalb der Rezeption vergleichsweise ähnlicher künstlerischer Produktionen detaillierter eingehen müssen. Aber nicht nur in dieser Ausstellung traten eine Vielzahl an Leerstellen auf, die als Mythen das Kunstfeld seit Jahrzehnten bestimmen. Dazu gehört beispielsweise das geplante intermediale Projekt Tangente von Lutz Dammbeck, Hans-Hendrik Grimmling, Frieder Heinze, Günther Huniat und Gregor Kozik 1976 in Leipzig.

Andere Akteure, die maßgeblich an der Entwicklung und Vielfalt prozessorientierter Kunst in der DDR beteiligt waren, – wie beispielsweise Klaus Hähner-Springmühl (1950-2006) – fanden sich in den Ausstellungen kaum wieder. So war es das Verdienst des Leipziger Kunstraum D21, der Springmühls Arbeit und Wirkung die Ausstellung Klaus Hähner-Springmühl – England ist nicht die einzige Insel der Welt (27. August - 19. September 2009) widmete. Zu sehen waren dort Fotodokumentationen von Performances, Fotoübermalungen (als spezielles Genre prozessorientierter Kunst), Dokumente der musikalischen Improvisation und Filme aus der Perspektive einer jüngeren Generation von Kunstwissenschaftler/innen.

Was bleibt?
Eine Vielzahl an noch aufzuarbeitenden Aktionen und Archiven zur prozessorientierten Kunst in der DDR, um das Material zu sichern und der zeitgenössischen Rezeption dauerhaft zur Verfügung zu stellen.

 

 

 

PDF Download Qucosa Publikationsserver
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-69185

 

Britt Schlehahn ist Kulturwissenschaftlerin und Kunsthistorikerin mit den Forschungsschwerpunkten: Architektur von Arbeitsämtern im deutschsprachigen Raum von 1840 bis zur Gegenwart; Körper-, Kultur-, Sport- und Technikgeschichte seit dem 18. Jahrhundert; Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Sie arbeitet als Projektleiterin im Kunstverein Leipzig.

 


[1] Christoph Tannert. „Eröffnungsrede“. 20. November 2009, http://www.poesiedesuntergrunds.de

[2] Ein ähnliches Ausschlussverfahren findet sich im Film „Behauptung des Raums. Wege unabhängiger Ausstellungskultur in der DDR“ von Claus Löser aus dem Jahr 2009, 100 min.

[3] Die Bezeichnung im Katalog lautet: Wolf Kahlen (und A. R. Penck) „Achtung Aufnahme“ (1980, Video, Farbe und s/w, 22:52 min), in: Stephanie Barron und Sabine Eckmann (Hg.), Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen 1945 – 89, Köln 2009, S. 366.

[4] In dieser Galerie fand bereits 1976 eine Performance des tschechischen Künstlers Petr Štembera (Prag) statt, die in den bisherigen Betrachtungen zu prozessorientierter Kunst in der DDR sowie der Rezeption von Performances keine Rolle spielt.

[5] Vgl. u.a. „Dresden“ (1970), „Plastik-Lehrfilm“ (1971), „Wanderung“ (1971), „Lücke-Konzept“ (1971).

[6] Bereits 1979 beabsichtigte Marcel Odenbach innerhalb seiner Performance „Ich glaube ich bin mir selbst verlorengegangen, denn ihre Klischees hätten mich beinahe vernichtet“ bei Jürgen Schweinebraden die Verwendung von Videotechnik. Damals antwortete Schweinebraden auf die Bitte mit den Worten: „Leider ist bei mir mit Videotechnik nichts drin. Da fehlen uns fast alle Voraussetzungen und natürlich auch die Mittel.“ [Kacunko, Odenbach 1999: 159] In der am 3. März 1979 aufgeführten 45minütigen Performance zeigte Odenbach anstelle von bewegten Bildern eine Diaprojektion und verweilte vermummt im Treppenhaus vor den Galerieräumen. Auch diese Aktion wird in den bisherigen Betrachtungen zur Kunst in der DDR nicht beachtet.

[7] Wolf Kahlen „Achtung Aufnahme“ (1980/91, 23:02 min)

[8] Ein Aspekt, der in beiden Ausstellungen nicht zu finden war, ist die Verurteilung von Schweinebraden zu einer Geldstrafe in einer Höhe von 3000 Mark (oder drei Jahren Haft) im Jahr 1980 durch das Stadtbezirksgericht Berlin-Lichtenberg wegen „illegaler Benutzung einer Druckgenehmigung und Herstellung illegaler Druckerzeugnisse“. [Schweinebraden 1996: 707-708] Schweinebraden verließ am 26. November 1980 die DDR.

[9] Vgl. u.a. Katalog zur Ausstellung Erhard Monden. Zeit – Raum – Bild – Realisationen in der Ostberliner Galerie Arkade vom 10. Juli bis 7. August 1981.

[10] Als Orte für Performances werden dabei genannt: Hirschhof 2 (Hinterhof Oderberger Straße Ecke Kastanienallee), Samariterkirche (Samariterstraße), Wohnungsgalerie Jörg Deloch (Schönhauser Allee 50), Ateliergalerie Reinhard Stangl, Hans Scheib, Volker Henze (Sredzkistraße 64), Atelier Erhard Monden (Dimitroffstraße 197), Selbsthilfegalerie Erhard Monden (Sredzkistraße 64), Ateliergalerie Reinhard Zabka (Knaackstraße Ecke Kastanienallee), Galerie Weißer Elefant (Almstadtstraße 11), Studio bildende Kunst (Baumschulenstraße), Galerie Treptow im Kreiskulturhaus Treptow (Puschkinallee 5), Jugendclub „Spitze“ Galerie 85 (Heinersdorfer Straße 58), Jugendclub „Schaufenster“ (Chausseestraße 125). Allerdings fehlen bei der Auflistung und Verortung im städtischen Raum Zeitdauer sowie Akteure und konkrete Aktionen. Die EP Jürgen Schweinebraden wird dagegen mit „Ausstellungen, Lesungen“ charakterisiert, obwohl nachweislich Performances stattfanden.

[11] U.a. mit Sascha Anderson, Elke Erb, Robert Lippok, Ronald Lippok, Bernd Jestram, Harald Hauswald, Freie Gruppe Zinnober und Cornelia Schleime.

[12] Wie beispielsweise den Filmen Zeit der Götter (1993), Dürers Erben (1995), Das Meisterspiel (1997) und Das Netz (2004).

[13] Das Herakles-Projekt basiert auf dem Text „Das eigensinnige Kind“ aus der Sammlung von Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm sowie „Herakles 2 oder Die Hydra“ (1972) von Heiner Müller.

[14] Wie u.a. das Zitat von Walter Benjamin „DER MASSEWEISEN REPRODUKTION KOMMT DIE REPRODUKTION VON MASSEN BESONDERS ENTGEGEN.“, das in der Aufführung von REALFilm zu sehen war.

[15] U.a. die ersten Proben und Videoaufzeichnungen zu „Herakles“ mit Fine Kwiatkowski im Atelier des Malers Hans Scheib und Erhard Monden in der Berliner Sredzkistraße.

[16] Im Gegensatz zur Ausstellung Poesie des Untergrunds wurde innerhalb der Leipziger Ausstellung wie auch bei Kunst und kalter Krieg die direkte Konfrontation mit Aktivitäten von inoffiziellen Mitarbeiter/innen des Ministeriums für Staatssicherheit vermieden.

[17] Vor der Digitalisierung bestand das Archiv aus über 40 VHS-Kassetten.

[18] Über allen Artefakten im Raum befindet sich an oberster Stelle eine Geruchsprobe von Gerd Harry Lybke.

[19] Ordnung durch Störung, Ausstellung vom 7. April bis 14. Mai 2006 im Oktogon der Hochschule für Bildende Künste Dresden, Nürnberg 2006.

[21] Insgesamt elf Hefte sowie das Sonderheft zu intermedia erschienen zwischen 1984 bis 1987 in unregelmäßigen Abständen.

[22] Günter Feist, Eckhart Gillen (Hg.), Kunstkombinat DDR: Daten und Zitate zur Kunst und Kunstpolitik der DDR 1945 – 1990, Berlin 1990.

 

 

 

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