III. Modellieren und Entwerfen als/im Prozess

Modelle in Prozessen

Carolin Höfler (Berlin/Köln)
Der Beitrag gilt jenen Modellen in Gestaltung und Wissenschaft, die tief in Erkenntnis- und Arbeitsprozesse, aber auch in prozessuale Entwicklungen von Strukturen und Formen eingreifen. Mit dieser Fokussierung soll der Versuch unternommen werden, Modellieren als eine Praktik aufzufassen, die sich nicht allein im Repräsentativen erschöpft. Bei der Vorstellung, dass Modelle lediglich ihren Bezugsgegenstand abbilden, wird leicht übersehen, dass Modelle mit ihren eigenen Mitteln oft überraschende Wirkungen und Bedeutungen generieren, die neue Denk- und Handlungsräume eröffnen. Modelle geben demnach nicht nur einen bekannten Gegenstand wieder, sondern erzeugen im Modellereignis, was sie darstellen. Mit dieser Perspektive ist die Absicht verbunden, Modelle in ihrer Prozesshaftigkeit und produktiven Unbestimmtheit zu erkennen, aber auch offene Bezugsgegenstände hervorzubringen – seien es Bauwerke, Alltagsprodukte oder Naturobjekte, die vielfältige Interpretationen und unterschiedliche Gebrauchsmuster zulassen.

1969 – 1964 – 2004 ... : Mobile Spielräume und urbane Paläste. Modellierungen beweglicher Aufführungs-Architekturen

Barbara Büscher (Köln/Leipzig)
An markanten historischen Einschnitten wiederholen sich diskursive Modellierungen und experimentelle Entwürfe zu Aufführungs-Architekturen, die einer Diversität von Spielweisen und Präsentationsformaten zwischen Kunst, Wissen und Entertainment Rechnung tragen wollen. Sie verbinden Zeigen, Handeln und Schauen diverser Akteure mit Entwürfen zu variablen Räumen und temporär genutzten Orten, die sich den Bedürfnissen der Nutzer*innen anpassen, von ihnen angeeignet werden können. Die historischen Markierungen reihen sich nicht zu einer chronologischen Kette, sondern mäandern in wiederkehrenden Referenzen auf- und zueinander, geprägt von je zeitgenössischen Diskursen zum Stadtraum, zu Auffassungen von Spiel und Wissensgenerierung, zur Vielfalt künstlerischer Aufführungsformate, zum baulich Improvisierten und Zwischengenutzten.

Homo ludens, BRD. Zu Werner Ruhnaus Spielraumkonzeptionen

Jan Lazardzig (Berlin)
Die Spielraumkonzeptionen des Architekten Werner Ruhnaus (1922–2015) sind eng mit der gesellschafts- und architekturpolitischen DNA der bundesrepublikanischen Nachkriegsmoderne verwoben. Von den Theaterbauten in Münster und Gelsenkirchen in den 1950er Jahren, die programmatisch für Offenheit und Transparenz, Gemeinschaft und Mündigkeit stehen, über die variablen Spielraumentwürfe vermittels eines „Podienklaviers“, bis hin zur Entwicklung der „Spielstraße“ als Teil des Kulturprogramms der Olympischen Spiele 1972 in München, die auf kommunikationstheoretischer Grundlage Formen der Spektakelkritik spielerisch-partizipatorisch realisierte, lässt sich ein post-heroisches Verständnis von Architektur als Spielraum nachzeichnen. Ruhnaus Konzeptionen, die in der Regel aus kollaborativen, partizipativen Arbeitsformen entstanden, können als Befragung von Mensch und Architektur im Zeichen einer anti-totalitären Moderne verstanden werden.

Durchmischung und Dynamik: Die Chemnitzer Stadthalle und ihre polyvalenten Räume

Juliane Richter (Leipzig)
Ausgehend von kybernetischen Systemmodellen wurden in der DDR Entwürfe für multifunktionale Aufführungsräume geschaffen. In diesem Beitrag wird die Entwicklung des Typus „Kulturzentrum“ als Aufführungsraum am Beispiel der zwischen 1969 und 1974 errichteten Chemnitzer Stadthalle nachgezeichnet. Zusammen mit dem Berliner Institut für die Technologie kultureller Einrichtungen entwickelte die VEB Industrieprojektierung Karl-Marx-Stadt mit dem Chefarchitekten Rudolf Weißer einen neuen Bautypus mit vielfältig wandelbaren Bühnenräumen. Der multifunktionelle Gebäudekomplex ist mit der differenzierten Kubatur, der dynamischen Grundrissform und der Verbindung von Architektur und Kunst ein herausragender Kulturbau. Die Planungs- und Baugeschichte über einen Zeitraum von zwölf Jahren, vom Entwurf für ein Haus der Kultur und Wissenschaften bis zur ausgeführten Stadt- und Kongresshalle, wird dargestellt und die innovative Raumlösung kontextualisiert.