Bornemannbauten / Freie Volksbühne

Annette Kisling – Fotografin (Leipzig)

 

 

 

 

Abb1

Abb2

Abb3

Abb4

Abb5

Abb6

Abb7

Abb8

Abb9

Abb10

Abb11

Abb12

Abb13

Abb14

Abb15

Abb. 1 bis 15: © Annette Kisling, Bornemannbauten/Freie Volksbühne, 2003

 

 

In der fotografischen Arbeit von Annette Kisling findet sich mehrfach das Sujet moderner Architektur der 1950er und 1960er Jahre. Die Serie Bornemannbauten entstand Anfang 2003 über einen mehrmonatigen Zeitraum, in dem die Künstlerin verschiedene Kulturbauten von Fritz Bornemann besuchte. Anlass war die Publikation „Inszenierte Moderne“ zum Werk des Berliner Architekten, in der die Aufnahmen veröffentlicht wurden.

Mit den Fotografien des Theaterbaus in Berlin-Wilmersdorf wird hier ein Auszug aus der Serie Bornemannbauten gezeigt, wobei die Auswahl aufgrund der Fokussierung wesentlich umfangreicher und für diese Publikation als eigenständige Serie neu angeordnet ist. Die Beobachtungen beginnen unerwartet mit dem Blick auf den Baukörper von der Bühneneingangsseite, um dann den Theatersaal als Zentrum des Hauses zu zeigen und sich von hier aus sukzessive über die Foyers zu den Außenräumen der Eingangsseite zu entwickeln. Diese mit Zäsuren und Kontinuitäten erfolgende Bewegung um und durch das Theaterhaus zeigt seine fließenden Räume und Offenheit im Innern, die nahezu schwellenlosen Übergänge nach Außen und seine selbstverständliche Präsenz im landschaftlich geprägten Stadtraum. Die Fotografien von Annette Kisling lassen nur selten und in wenigen Bilddetails auf ihre zeitliche Einordnung schließen. Das letzte Bild verweist fast beiläufig auf die gegenwärtige Nutzung als Haus der Berliner Festspiele. Mit ihren Aufnahmen erlaubt uns Annette Kisling gleichermaßen das Imaginieren der radikalen Raumwirkung in der Bauentstehungszeit sowie den neuen Gebrauch dieser trotz Nutzungswechsel und Umbau kaum veränderten Räume für die Berliner Festspiele.

 

Kontextualisierung des Hauses für die Aufführungskünste

In den Jahren 1961-63 errichtete Fritz Bornemann den Theaterbau an der Schaperstraße für die Freie Volksbühne Berlin e.V., da der erste Volksbühne-Bau im Ostteil der Stadt inzwischen vom DDR-Theater genutzt und seit 1949 übergangsweise im Theater am Kurfürstendamm gespielt wurde. Intendant des Theaters war seit 1962 Erwin Piscator, der bereits in den zwanziger Jahren als Volksbühnen-Regisseur tätig gewesen war. Zeitgleich mit der Fertigstellung des neuen Hauses wurde seine 1929 verfasste Schrift Das politische Theater wiederaufgelegt und damit auf die internationale Bedeutung der Berliner Avantgarde verwiesen. Der Architekt Fritz Bornemann hatte sich am Raumtheater orientiert, doch war die Realisierung des privaten Theaterbaus in dieser Zeit durch äußere Rahmenbedingungen wie ein knappes Budget und die erforderliche Größe des Saals mit rund 1000 Plätzen deutlich eingeschränkt. Unabhängig davon urteilte die Kritikerin Hannelore Schubert in ihrer umfangreichen Publikation zum modernen Theaterbau über das Haus: „... es ist als architektonische Anlage der geschlossenste und zugleich ‚theatersicherste‘ Bau der Nachkriegszeit.“ [Schubert 1971: 143].

Nach der politischen Wende etablierte sich das Haus am Rosa-Luxemburg-Platz als die Volksbühne im ungeteilten Berlin und der Verein Freie Volksbühne (heute Kulturvolk) musste nach Einstellung der Subventionen das Haus im Westteil Berlins letztlich verkaufen. Der Bornemannbau erfuhr 2001 einen Nutzungswandel, indem er seither als Haus der Berliner Festspiele genutzt wird. In den Jahren 2009-11 wurde der fast fünfzigjährige, denkmalgeschützte Bau bühnen-, brandschutz- und klimatechnisch von Eller + Eller Architekten modernisiert mit einem das Denkmal respektierenden Ergebnis: „Wie Sie sehen, sehen Sie fast nichts“ [Friedrich 2011:26]. Die Berliner Festspiele realisieren hier sowie im Gropius-Bau Festivals, Reihen und Gastspiele aus den Bereichen Theater, Tanz, Musik und Literatur sowie Ausstellungen. „Die Kombination und Vernetzung von Festspielhaus und Ausstellungshaus bietet dabei besonderes Potenzial für neue interdisziplinäre Formate und das Zusammenspiel unterschiedlicher Kunstformen.“ [Berliner Festspiele 2019]

Text: Annette Menting

 


Literatur:
Friedrich, Jan: „Wie Sie sehen, sehen Sie fast nichts“. In: Bauwelt 41 / 2011: 26–31.
Schindler, Susanne (Hg.). Inszenierte Moderne. Zur Architektur von Fritz Bornemann. Berlin 2003.
Schubert, Hannelore. Moderner Theaterbau. Internationale Situation. Dokumentation, Projekte, Bühnentechnik. Stuttgart 1971.

 

 

 

Download PDF