IV. Aneignung von Orten und Bauten durch Transformation

Gedanken zu einem Theaterumzug im Kontext stadträumlicher Dynamiken

Jan Lemitz / Kathrin Tiedemann (Düsseldorf)
Im städtischen Raum überwiegen das Funktionale und Pragmatische. Um Ansprüchen wie diesen gerecht zu werden, verändern sich die städtischen Landschaften, die uns umgeben, oftmals über die Grenzen des Wiedererkennbaren hinaus. Mit Anbruch der ökonomischen Krise 2008 und verstärkt durch dauerhaft niedrige Zinsen fließen seitdem Kapital und Investitionen nahezu ungebremst in die Städte. Zwar gibt es Bemühungen seitens Politik und Verwaltung, regulierend einzugreifen, doch überwiegt ein (neo-liberales) Verständnis von Raum, das dem Gemeinwohl verpflichteten Konzepten und Vorstellungen von Stadt entsagt. Was sich darüber hinaus vom Leben in den Städten einschreibt, findet sich in Spuren und Fragmenten wieder. Diesen Spuren gehen wir im Rahmen unserer Recherche zu Stadt als Fabrik in Wort, Bild und in diversen Veranstaltungsformaten nach. Anlass ist ein geplanter Theaterumzug.

Instante Architekturen

Andreas Wolf (Leipzig)
Instante Architekturen erscheinen in bestimmten Bereichen von Raumbildung als vertraute Alltagsbauten, wie etwa im American Diner oder der Imbissbude. In den 2000er Jahren entwickelte die jüngere Architektengeneration neue Ansätze, die auf der Idee einer Raumerweiterung und -aneigung durch Selbstgestaltung beruht und zumeist als temporäre Intervention im Sinne der situationistischen Ideen realisiert wurde. Zweckentfremdung und Rekontextualisierung sind dabei als Gestaltungsmethodik wieder zu finden. Qualitäten dieser instanten Architekturen werden hier im Kontext einer kritischen Hinterfragung der üblichen Entwurfs- und Planungsmethoden und einer informellen Bottom-Up-Stadtentwicklung herausgestellt.

Bewegte Architekturglieder: Spolien

Hans-Rudolf Meier (Weimar)
Wenn man in Leipzig für die Höfe am Brühl die Alu-Fassade der Blechbüchse wieder montierte oder in der Neuen Altstadt in Frankfurt a. M. in die Fassaden der Neubauten Fragmente von im 2. Weltkrieg zerstörten Gebäuden eingelassen wurden, so bediente man sich dabei eines traditionsreichen Verfahrens der architektonisch artikulierten Aneignung von Orten. Seit der Renaissance spricht man in solchen Fällen von erkennbar wiederverwendeten Baugliedern aus früheren Bauten oder anderen Orten von Spolien. Man verwendet damit einen Begriff, der ursprünglich in der römischen Antike die Aneignung der dem getöteten Feind abgenommenen Rüstung bezeichnete. In den im Folgenden diskutierten Beispielen geht es aber nicht um feindliche Übernahmen, sondern um Versuche, mit der Wiederverwendung von Bauteilen auch den Geist eines Ortes oder Objekts zu übernehmen oder darum, durch die Bewegung von Architekturteilen Orte zu verbinden.

Gebäude als Ereignis – der Prozess als Designer

Lukasz Lendzinski / Peter Weigand (Stuttgart)
Studio umschichten, an der Schnittstelle von Architektur, Kunst und Stadtentwicklung agierend, stellen eine Auswahl ihrer Projekte im Entstehungsprozess vor und erlauben einen Blick hinter die Kulissen der komplexen Vorgänge, die zur Realisierung sowie zur Nutzung ihrer temporären Gebäude geführt haben. Dabei demonstrieren sie ihre Arbeitsweise anhand von Phasen, die jedes Projekt notwendigerweise durchläuft. Beginnend von dem Schritt der Vereinbarung mit den Bauherr*innen über das Ausloten der Rahmenbedingungen und Materialfragen bis hin zum Bau- und schließlich Nutzungsprozess. Diese teils aufeinander folgenden, teils parallel verlaufenden Prozesse illustriert der Text anhand von vier beispielhaften Projekten: Weltausstellung, Berlin (zusammen mit Hebbel am Ufer HAU), Opelation, Bochum (mit Urbane Künste Ruhr), Inventur Jena (mit Theaterhaus Jena) und Performeum Wien (mit Wiener Festwochen). Handlungsleitend für alle Arbeiten sind Orts- und Kontextspezifik, die Fragen des Materialkreislaufs sowie der partizipativen inhaltlichen und funktionalen Raumprogrammierung und die Übereinkunft des Temporären als produktiven Zustand.